GESCHICHTE und POETIK
des österreichischen KABARETTS



Vorwort

"Warum ein Vorwort ?" wird sich vielleicht so Mancher fragen. Der Grund für diese sonst bei Fachbereichsarbeiten ( FBA ) eher unübliche Seite ist einfach und sei deshalb hier gleich eingangs erwähnt: Im Zuge meiner Vorbereitung und Informationsbeschaffung für diese Arbeit, ( welche im Übrigen äußerst positive Auswirkungen auf meine Figur zeigte, da ich die Zeit meines sonst üblichen Mitternachts-Snacks im ständigen Kampf mit Word und seinen Tücken verbrachte ! ) war ich sehr auf die Kooperation diverser Kabarettisten bzw. deren Agenturen angewiesen, wobei ich durchwegs nur positive Erfahrungen gemacht habe, die ich hier erwähnen möchte.

Mein besonderer Dank gilt hier vor allem Alfred Dorfer, mit dem ich am 13. Juni 1998 in der Kulisse Wien ein ausführliches Interview vor seiner Vorstellung führen durfte (siehe Anhang) und der sich in allen Bereichen sehr interessiert und kooperativ zeigte. Herzlichen Dank auch seiner Agentur, der E&A Public Relations GmbH und insbesondere meiner dortigen Kontaktperson, Fr. Barbara Schmidhammer, die mir für weitere Informationen zur Verfügung stand.

Ein weiteres Interview, (siehe Anhang) das mir sehr viele wertvolle Informationen lieferte ist jenes, das ich mit den Brüdern Karli und Rudi Schöllerbacher am 20. Mai 1998 im Steyrer Kulturzentrum Röd@ führte. Auch den beiden sei hiermit mein verbindlichster Dank ausgesprochen.

Nicht zu vergessen meine bereits in Wien studierende Cousine Angelika Niedetzky, die mir mit ihren zahlreichen "Szene-Connections" den Interviewtermin bei Alfred Dorfer verschaffte und natürlich Herr Prof. Mag. Karl M. Kubizek, der mir sogar während der Ferien per E-mail für eventuelle Fragen zur Verfügung stand und mich auch ansonsten vorzüglich betreute. Zusätzlich zu den beiden Interviews befindet sich im Anhang noch ein kurzes Begriffslexikon, in dem die wichtigsten Fachausdrücke bzw. zum Verständnis wichtige und bei uns eher ungebräuchliche Ausdrücke aus dem Wienerischen in knappen Worten erklärt sind.

Ein dickes Dankeschön auch an meine Eltern für das tolerante "Übersehen" eines neun Monate lang andauernden Chaos in unserem Wohnzimmer und einer ebenso langen Computerokkupation meinerseits.

Zum Schluß möchte ich mich noch bei all jenen entschuldigen, die mich tatkräftig unterstützt haben, die zu nennen ich hier allerdings vergessen habe, was sicherlich der Fall ist.

Trotzdem viel Spaß beim Lesen!

Die Verfasserin

Steyr, den 11. Februar 1998



Inhalt Teil I: Geschichte des Kabaretts

1. Erste Anfänge des Kabaretts

2. Die Zeit des Nationalsozialismus

2.1 Das Wiener Werkel

3. Von 1945 bis 1960

3.1 Das "Simpl"

3.2 Politisches Kabarett um Helmut Qualtinger

4. Von 1961 bis 1970

5. Von 1971 bis 1990

5.1 Die "Schmetterlinge"

5.2 Die Solokabarettisten

6. Von 1991 bis ? - Zukunftsperspektiven

6.1 Schöller & Bacher

6.2 KABUD

6.3 Alf Poier

 

Inhalt Teil II: Poetik des Kabaretts

1. Präzisierte Definition von Kabarett

2. Die Nummer

3. Das Konzept der Fiktionskulisse

4. Defiktionalisierung durch Publikumsanrede

4.1 Publikumsanrede im Bühnendialog

4.2 Publikumsanrede im offenen Dialog mit verdecktem Partner

4.3 Publikumsanrede im offenen Dialog mit fingiertem Partner

4.4 Der Monolog

4.5 Publikumsdialog mit dem Kollektiv

4.6 Publikumsdialog mit dem Einzelzuschauer

4.7 Die Conférence

 

Inhalt Teil III: Alfred Dorfer

1. Warum Alfred Dorfer ?

2. Ausbildung & Werdegang

3. Schlabarett

3.1 "Atompilz von Links"

3.2 "Sein und Schwein"

4. "Alles Gute"

5. Hinwendung zu den Medien

5.1 "Indien"

5.2 "Muttertag"

5.3 "Freispiel"

5.4 "MA 2412"

6. "Ohne Netz"

7. "Badeschluß"






Teil I: Geschichte des Kabaretts


1. Erste Anfänge des Kabaretts

"Wer von der Kleinkunst im allgemeinen und von der Wiener Kleinkunst im besonderen zu reden unternimmt, muß vor allem versuchen, sein Thema abzustecken, indem er klarmacht, was das Cabaret, das er meint, nicht ist: Ob Frau Blau mit Herrn Grün einen Flirt hat und ob Herr Grün von Herrn Blau im Kleiderschrank erwischt wird und dann erklärt, er warte dort auf die Elektrische, ob der Conférencier seine Aussage mit Einlagen schmückt, wie: zwei Herren treffen sich auf der Straße, sagt der eine zum anderen ..., oder ob zwei "Stimmungskanonen" musikalische Betrachtungen über die Schwiegermutter anstellen..., so handelt es sich dabei immer um ein und dasselbe, um das, was sich am klarsten und eindeutigsten als Amüsierbetrieb, als "Kommerzkabarett" bezeichnen läßt. Das andere, Abweichende, das sich von jenem nicht nur durch den geringeren Umsatz und die höheren Ansprüche unterscheidet, die es an den Intelligenzquotienten des Publikums stellt, ist infolge einer Vielgestaltigkeit nicht so bequem in ein paar Beispielen darzustellen oder gar in e i n e r Formel erschöpfend zu definieren. Sicher ist, daß es eine Geschichte hat, und daß diese - wenigstens für Österreich - nie geschrieben wurde ... "

Aus: Hakel, H. (Hsg.): Wigl Wogl. Kabarett und Varieté in Wien. Forum Verlag Wien.1962.

 

Bereits in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts scheiterte der mit seinem gemeinsam mit Helmut Qualtinger geschriebenem "Herrn Karl" für immer in die Annalen des österreichischen Kabaretts eingegangene Carl Merz am Versuch, jene Tätigkeit, mit der er zu dieser Zeit bereits seit über dreißig Jahren seinen Lebensunterhalt verdient hatte, zu definieren.

Das oben angeführte Zitat entstammt dem von ihm verfaßten Nachwort zu einem 1962 erschienenen Buch über die Wiener Kleinkunst, in dem er auf den nachfolgenden Seiten die Geschichte und vor allem die Rolle und Aufgabe des Kabaretts darstellt. Zu einer klaren Definition dessen, was Kabarett eigentlich ausmacht, kommt er dabei allerdings nicht. Es wäre also vermessen von mir zu behaupten, ich wäre dazu imstande, wozu einer der größten Kabarettisten unseres Jahrhunderts nicht fähig gewesen war.

Dennoch gibt es einen Menschen, dem dies gelungen zu sein scheint. Der Schweizer Literaturwissenschafter Benedikt Vogel entwickelte in seiner 1992 an der Universität Freiburg zugelassenen Dissertation zum Thema "Fiktionskulisse - Poetik und Geschichte des Kabarett" auf 46 höchst komplizierten Seiten, welche zur Gänze verstanden zu haben ich mir nicht ganz sicher bin, eine umfassende, präzisierte Definition von Kabarett, (selbst Gustostückerl für jeden Kabarettisten, da an Unverständlichkeit und Kompliziertheit kaum mehr zu überbieten!) auf die allerdings erst im zweiten Teil dieser Arbeit näher eingegangen werden soll.

Was ich dennoch gleich hier zu Beginn anbieten kann, ist eine kurze Worterklärung nebst dem Versuch einer sehr theoretischen und trockenen Definition von Kabarett, die nach dem Eintippen des Begriffes an sich in der Suchmaschine des Österreich-Lexikons auf dem Bildschirm erschien:

 

Kabarett (franz. "cabaret" = Schenke, eine in Fächer eingeteilte Speiseschüssel); Bez. für eine kleine Bühne und die dort gebotene Form des Unterhaltungstheaters; In der Regel eine durch Conférencen verbundene Folge von Sketches, Liedern, Parodien u. ä., in denen in literarischer oder kritisch - satirischer Form politische und gesellschaftliche Zustände glossiert werden.

Aus: Ö-Lexikon (AEIOU)

Nachdem es nun also nicht weiter sinnvoll erscheint, sich auf die Formulierung einer umfassenden Definition zu versteifen, liegt es nahe, sich dafür um so intensiver mit der Entstehung und Geschichte dieser Form von Kleinkunst zu befassen.

Abb.8.1Der Ursprung des Kabaretts liegt in Frankreichs Hauptstadt Paris, wo 1881 mit dem "Chat noir" das erste Kabarett Ruhm und Bedeutung erlangte. Es dauerte immerhin 20 Jahre bis sich diese Kunstform auch im deutschsprachigen Raum etablieren konnte. 1901 gab es in München bereits "Das Überbrettl" und "Die elf Scharfrichter", ein Jahr später wurde in Berlin Max Reinhardts "Schall und Rauch" eröffnet, 1903 kam der Münchner "Simplicissimus" hinzu.

Von München nach Wien war es nur mehr ein kleiner Schritt bis zur Eröffnung des ersten Wiener Kabaretts "Nachtlicht", das 1906 von Marya Delvard, Hannes Ruch und Marc Henry gegründet und ab 1907 unter dem Namen "Cabaret Fledermaus" weitergeführt wurde (siehe Abb. 8.1)1. 1912 wurde der "Simplicissimus" (später "Simpl") von Egon Dorn gegründet und zu einer der wichtigsten Institutionen der Wiener Kabarettszene.

Der ursprüngliche Zweck des Veranstaltungsortes als Spielstätte für leichte Amüsements und erotische Darbietung prägte auch den Kabarettstil des Hauses in Form von kabarettistischer Unterhaltung ohne moralischen oder politischen Tiefgang. Dennoch gibt es einen Namen, der mit dem Simpl untrennbar verbunden ist: Karl Farkas, der die Leitung seit 1921 innehatte und bis zu seinem Tod 1971, von einer exilbedingten Unterbrechung 1938-46 abgesehen, nicht mehr aus der Hand gab. Gemeinsam mit dem vorhergehenden Direktor Fritz Grünbaum entwickelte Farkas die berühmte -> Doppelconférence, die er nach dem Krieg mit Ernst Waldbrunn perfektionierte und damit zu einem regelrechten Publikumsliebling wurde. Andere Wiener Kabarettbühnen dieser Zeit waren die "Femina" und der "Pavillon" sowie noch eine ganze Reihe anderer, kurzlebiger Unternehmen.

Zu dieser Zeit zeichnete sich das österreichische Kabarett zwar durch launigen, leichten Humor aus, an Programmen mit politischer Brisanz fehlte es jedoch. Eine Ausnahme bildete "Die Hölle", wo Fritz Grünbaum bereits 1906 seinen ersten Auftritt absolvierte.

Dennoch, das Kabarett im ursprünglichen, im literarisch-politischen Sinn, das Kabarett, das seine Nummer nicht nur der Unterhaltung sondern vor allem der Aussage wegen spielt, gab es in Wien erst seit der Gründung der ersten politischen Kabarettbühne "Der Liebe Augustin" 1931 durch Stella Kadmon (Abb. 8.2)2.

Abb.8.2.In diesem Jahr kehrte der junge Autor und Sohn eines Wiener Arztes, Peter Hammerschlag aus Berlin zurück, wo er als "Blitzdichter" in der "Katakombe" aufgetreten war. Er war es, der gemeinsam mit Stella Kadmon und einer Reihe ebenso ambitionierter wie unbekannter junger Künstler den "Lieben Augustin" im Keller des Café Prückl in Wien 1 ins Leben rief.

Es war ein schwerer Anfang im Jahre 1931, als die Weltwirtschaftskrise auf ihrem Höhepunkt angelangt war und die gesamte Wiener Kleinkunstszene fest mit ihrem ökologischen Würgegriff umklammert hielt. Ein stummer Zeitzeuge dieses materiellen Elends in den Anfangstagen ist heute noch erhalten: ein vergilbtes, auf beiden Seiten bedrucktes Blatt Papier, das zu jenem bitteren Debüt am 7. November 1931 als Einladung diente und "Kunst und ->Konsumation für 3 Schilling !" anpreist.

Darunter aufgelistet: "Wir geben Ihnen: Jazz und Butterkipferl, Gugelhupf und Satire, Sandwiches und Romantik, Bier und neue Sachlichkeit, Likör und Kitsch, Würstel und Seele! Denn - wir haben nichts in Heidelberg verloren, wir haben selbst Gemüt ! (...) Wir sind jung und Sie sind schön! (...) Komplexe sind in der Garderobe abzugeben! ..."3

Auf der anderen Seite sind die mitwirkenden Künstler aufgezählt, nebst dem Vermerk: "Unsere Schauspieler dürfen während der Vorstellung weder gefüttert noch gereizt werden!"

Und ganz zum Schluß: " Wir werden jeden Tag begabter und begabter! Kommen sie deshalb morgen wieder!"4

Der "Liebe Augustin" war nur ein Vorbote dessen, was auf diesem Gebiet nachkommen sollte. Mit Hitlers Machtergreifung 1933 ergoß sich ein Strom von in Deutschland politisch verfolgten Künstlern nach Österreich. Schauspieler, Schriftsteller, Regisseure, sie alle kamen mit der Hoffnung, sich hier eine neue Existenz aufbauen zu können. Zeitweise spielten etwa 25 Kellerbühnen gleichzeitig in Wien. Mitten in den Jahren der Krise schien sich plötzlich der von den Wolken der Armut verdunkelte Himmel zu lichten und einen Silberstreif am Horizont freizugeben und es trat das ein, was Carl Merz ein Wunder nennt:

 

"Es geschah damals, mitten in den Krisenjahren, eigentlich so etwas wie ein Wunder - und dazu noch ein typisch österreichisches Wunder: Denn es gab plötzlich ein Publikum, meiner Schätzung nach etwa 30 000 bis 40 000 Menschen, die sich so etwas ansahen, und etwa zehntausend, die es auch verstanden."5

 

Allein aus der am 5. November 1933 von F. W. Stein und Rudolf Weys gegründeten "Literatur am Naschmarkt" gingen so berühmte Vertreter wie Hilde Krahl und Grete Heger hervor, und auch spätere Schauspielgrößen wie Josef Meinrad, der später auch zum festen Kern des "Wiener Werkels" gehörte, haben in der Kleinkunst begonnen. Maßgeblicher Initiator bei der Gründung dieser neuen Kabarettbühne war auch der schon anfangs erwähnte und durch seine Zusammenarbeit mit Helmut Qualtinger legendär gewordene Carl Merz.

Als weitere Beispiele dieser Zeit seien "Die Stachelbeeren" (1933-36), sowie das "ABC" (1933-38) genannt.

 

2. Die Zeit des Nationalsozialismus

Die Annektierung Österreichs durch Hitler im März 1938 und die damit verbundene schonungslose Verfolgung aller nicht ins Konzept des Nationalsozialismus passenden Kunstrichtungen, veranlaßte viele, das Land zu verlassen und löste ein regelrechte Verhaftungs- und Emigrationswelle unter den österreichischen Kabarettisten aus:

- Gerhard Bronner emigriert nach Palästina.

- Karl Farkas flieht in die USA.

- Fritz Grünbaum wird verhaftet und stirbt später am 14. Jänner 1940 im Konzentrationslager Dauchau.

- Peter Hammerschlag flieht 1938 nach Jugoslawien, kehrt aber 1940 heimlich nach Wien zurück, wo er unter Pseudonym für das "Wiener Werkel" schreibt. 1943 fällt er der "Aktion Brunner" zum Opfer: er wird deportiert und wahrscheinlich in Ausschwitz ermordet.

- Stella Kadmon wird die Leitung des "Lieben Augustin" entzogen. Sie flieht nach Palästina ins Exil. 1948 übernimmt sie erneut die Leitung des "Lieben Augustin", den sie noch bis 1981 als "Theater der Courage" weiterführt.

- Cissy Kraner und Hugo Wiener wandern nach Kolumbien aus, kehren aber nach Kriegsende wieder nach Österreich zurück.

- Georg Kreisler emigriert in die USA, wo er als Komponist für Hollywoodfilme einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht (u. a. Filmmusik für "Charlie Chaplin). Er kehrt 1955 als amerikanischer Staatsbürger nach Österreich zurück.

- Ernst Waldbrunn lernt Karl Farkas in Mährisch-Ostrau kennen und kommt durch ihn nach Kriegsende an das Kabarett "Simpl".

 

Als nun mit dem Jahr 1938 alles zu Ende zu sein schien und der Großteil der in Österreich lebenden Schriftsteller und Autoren entweder ins Ausland geflohen, oder im Konzentrationslager gelandet waren, formierte sich aus dem, was zurückgeblieben war, Österreichs einzige Kabarettbühne während der NS-Zeit: das "Wiener Werkel".

2.1. Das Wiener Werkel

Der kleinen Gruppe von verbliebenen Kabarettisten, Schauspielern und Autoren fehlte es zwar keineswegs an Motivation, wohl aber an einem geeigneten Veranstaltungsort. Am 29. 1. 1939 fand man schließlich im Gebäude des ehemaligen Moulin Rouge in der Liliengasse 3 eine neue Unterkunft, wo sich die arische Abteilung der "Literatur am Naschmarkt" unter der Direktion von Adolf Müller-Reitzner zu einem Ensemble zusammenschloß.

Abgeschirmt vom idealistisch gesinnten Nationalsozialisten Müller-Reitzner, der vom Gaupropagandaamt in Wien die Lizenz erhalten hatte, waren die nichtjüdischen Autoren und Darsteller der "Literatur am Naschmarkt" nun gezwungen, ihre zeitkritischen Botschaften mehr oder weniger verschlüsselt zu übermitteln. Der "Hausautor" des "Wiener Werkels" war der Steirer Rudolf Weys, T 30. 9. 1898 Graz, = 27. 2. 1978 Wien) seit seiner Gründung der "Literatur am Naschmarkt" 1933 längst kein Unbekannter mehr in der Kabarettszene. Nach Jahren als Journalist, Theaterkritiker, Jurist, Schriftsteller und Kabarettist verfaßte er auch später noch zahlreiche Lustspiele, Libretti, Hörspiele und Bücher. Zur Eröffnung des "Wiener Werkels" führte man das von ihm eigentlich schon vor Jahren für die "Literatur am Naschmarkt" geschriebene "Pratermärchen" auf. Neu im Programm war das wienerische Traumspiel "Herrn Sebastian Kampels Höllenfahrt", für das sich in der Öffentlichkeit Rudolf Weys und Franz Paul als Autoren verantwortlich zeichneten, das in Wirklichkeit aber von den "nichtarischen" und daher im Untergrund lebenden Schriftstellern Fritz Eckhardt und Kurt Nachmann stammte. Eckhardt war auch der Autor des ->Mittelstücks "Das chinesische Wunder", einer Parabel auf das Arrangiertalent der Leute von "Wi-En" gegenüber der Besatzungsmacht, den "Tokioten".

"Das chinesische Wunder" behandelt die Okkupation Chinas durch die Japaner. In dieser Szene betritt der Japaner "Pief-Ke" das Büro des chinesischen Hofrates "Pe-Cha-Tschek".

Pief-Ke: (ungeduldig) Banzai!

Pe-Cha-Tschek: Bitte? Ach so, die neue Zeit, daran wern ma uns jetzt halt gewöhnen müssen - Banzai. Nehmens bitte Platz.

Pief-Ke: Danke. Ich möchte rasch…

Pe-Cha-Tschek: Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Hochgeborener, nix rasch bitte! Damit kommens nämlich überhaupt net weiter. Vergessens nicht, wir sind in Chinareich. Sagens schön gemütlich, was sie wollen… und im übrigen - Buddha segne ihren Bauch - ...

Pief-Ke: Das ganze chinesische Volk jubelt.

Pe-Cha-Tschek: Ja, ja – ich hab die Zeitung gelesen und Radio hab ich auch ghört – also lassen wir die Präliminarien und kommen wir zum Tatsächlichen…Aber bitte, Hochzuverehrender, stehens net so entschlossen herum. Nehmens endlich Platz – jetzt seids ja schon da. Ich nehme an, Sie sind der Kommissar und sollen meine unbedeutende Persönlichkeit prüfen. Bitte, ich bin rein mongolischer Abstammung, war stets ein treuer Diener der Regierung, ob sichs nun um die Mi-Dynastie gehandelt hat oder um die frühere, ich war pflichtgemäß bei der "chinesischen Front", hab mich aber nie aktiv beteiligt…

Mit der typisch "chinareichischen" gemütlichen Art gelingt es dem Hofrat "Pe-Cha-Tschek" schließlich, den japanischen Kommissar zum Gehen zu bewegen, bevor dieser überhaupt Gelegenheit dazu bekommt, unangenehme Fragen zu stellen. Auf die ängstliche Frage seines Amtsdieners ->"Po-Ma-li" was denn jetzt geschehen werde, antwortet "Pe-Cha-Tschek" mit einem Monolog, der wohl nicht nur dazu gedacht war, dem verängstigten "Po-Ma-Li" Mut zuzusprechen, sondern der in einer ebenso direkten wie einfachen und doch verschlüsselten Weise an alle Österreicherinnen und Österreicher gerichtet zu sein schien:

Pe-Cha-Tschek: Gar nix, lieber Po-Ma-Li. Sans net nervös, wir wern sie schon demoralisieren! Mit demselben Tempo, mit dem s’alles machen, werden sie sich auch an unsere untertätige Mentalität gewöhnen. An unsere Schlamperei, an unseren Zopf, weil s’net wissen, daß dieser Zopf das große chinesische Wunder ist, das uns net untergehen laßt, auch wenn wir uns noch so oft anschließen. Denn der alte chinesische Zopf, der hängt bei uns in der Luft, der wandert unsichtbar herum, und wer immer da zu uns herkommt, der hat den Zopf picken, bevor er’s selbst noch weiß!

Aus: Hakel, H. (Hsg.): Wigl Wogl. Kabarett und Varieté in Wien. Forum Verlag Wien, 1962

Die insgesamt 10 Programme des Unternehmens waren allesamt Publikumserfolge, weil es trotz der Vorschriften des Reichspropagandaministeriums gelang, am NS-Regime Kritik zu üben, was zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten mit Reichspropagandaminister Josef Goebbels führte. Trotz wiederholter Einwände offizieller NS-Stellen, zum Beispiel gegen Fritz Feldners "Interview mit einer Kuh", überstand das "Wiener Werkel" auch den Tod von Müller-Reitzner im März 1943 unbeschadet und wurde unter dem Deckmäntelchen eines scheinbar nazitreuen Unternehmens von seiner Witwe Christl Räntz bis zur generellen Theatersperre im Herbst 1944 weitergeführt.6

 

3. Von 1945 bis 1960

Wenn man sich das Bild des zerbombten und zerstörten Österreichs im Jahre 1945 vor Augen hält, so wird man sich fragen, wie Menschen in einer derart hoffnungslosen Situation Gedanken an etwas auf den ersten Blick so unnütz Erscheinendes wie Kabarett verschwenden können. Bei näherer Betrachtung wird man allerdings erkennen, daß es vielleicht gerade diese Fähigkeit des österreichischen Volkes und vor allem der Wiener war, sich auch in der ausweglosesten Situation noch seinen Sinn für Humor zu bewahren, der weit über unsere Grenzen hinaus bekannte "Wiener Schmäh" eben, der unsere Nation davor bewahrte, in den Trümmern, die der zweite Weltkrieg als stumme Zeugen des Elends in ganz Europa hinterlassen hatte, zu versinken. Diejenigen, die überlebt hatten, wurden sich ihrer neuen Aufgabe mehr und mehr bewußt und begannen das zu ergreifen, was ihnen sieben Jahre lang durch die Knechtschaft des Hakenkreuzes verwehrt worden war: das freie Wort – wenn auch unter den aufmerksamen Blicken der Alliierten.

Nach der Periode des anspruchslosen, leichten Humors der goldenen zwanziger Jahre begann das Kabarett sich endlich wieder darauf zu besinnen, was es erst in der Zeit zu schätzen gelernt hatte, als es darauf verzichten hatte müssen: auf seine politischen Funktion als kritische Stimme der Gesellschaft. Das Kabarett der ersten Nachkriegsjahre wollte wachrütteln, den Menschen neuen Mut geben um das schwierige Erbe, das sie antraten, mit hocherhobenem Kopfe übernehmen zu können. Mehr denn jemals zuvor stand die politische Botschaft nun im Vordergrund. Bereits in den ersten Monaten nach Kriegsende gingen bei den Alliierten unzählige Anfragen für eine Kabarettlizenz ein. Nicht nur in Wien, im ganzen Land wurde improvisiert, geprobt, Bühnen aus alten Brettern gezimmert – und trotzdem war da dieses Loch, dieser Riß in der Tradition des österreichischen Kabaretts, den es zu füllen galt, doch womit, wenn das ganze Land hungert? Die meisten der Theater waren zerstört oder geplündert, ihre ehemaligen Betreiber entweder ermordet oder in alle Winde zerstreut. Auch jene Schriftsteller, die in die "innere Emigration" gegangen waren und so den Nationalsozialismus überlebt hatten, konnten gegen Kriegsende hin nichts anderes vorweisen als leere Blätter. Denn vor der Maßlosigkeit dieses Verbrechens schreckte sogar die satirische Feder so großartiger Autoren wie Erich Kästner zurück. Wo etwas übertreiben, wenn das Elend schon unbeschreiblich war ?

Daß es trotzdem irgendwie weiterging, ist wohl der aufstrebenden Generation junger Künstler zu verdanken, hinter denen die alteingesessenen Szenegrößen natürlich nicht zurückstehen wollten. Nach und nach kamen auch die meisten der ins Ausland Geflohenen wieder heim nach Österreich und mit ihnen kehrte das Lachen in die Keller Wiens zurück. Den alteingesessenen Bühnen war jedoch keine große Zukunft mehr beschieden.

- Das Wiener Werkel:

So glorreich die Vergangenheit dieser Institution auch war, so kurz ist auch die Geschichte ihres Fortbestandes nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erzählt. Nach seiner Wiederzulassung durch die Besatzungsmacht im Juni 1945 wurde das "Wiener Werkel" unter dem Namen "Literatur im Moulin Rouge" von Christl Räntz inoffiziell weitergeführt, denn die Lizenz hatte Rudolf Weys erhalten, konnte aber nicht mehr die gleichen Erfolge verbuchen wie noch ein paar Jahre zuvor. Am 20. 1. 1946 wurde die "Literatur im Moulin Rouge" zum "Kleinen Haus des Theaters in der Josefstadt", dem heutigen "Theater im Zentrum" umfunktioniert und hörte somit auf zu bestehen.7

- Der Liebe Augustin:

Auch "Der liebe Augustin", Wiens erste politische Kabarettbühne, erstand im Juni 1945 unter der Leitung von Fritz Eckhardt wieder zu neuem Leben. Mit dem Programm "Wiener Panoptikum" mit Elly Naschold, Egon Kment, Kurt Nachmann, Carl Merz und Fritz Eckhardt selbst in den Rollen erwachte der Keller des Café Prückl wieder zum Leben. Im September 1946 übernahm Carl Merz die Direktion und arbeitete erstmals mit Helmut Qualtinger zusammen. 1947 kehrte Stella Kadmon aus dem Exil in Palästina zurück und versuchte den "Lieben Augustin" im alten Stile fortzuführen, kam dabei aber über die drei Programme ‚"Wir pflanzen", "Reflexe" und "Der goldene Ball" nicht hinaus. Mit Berthold Brechts "Furcht und Elend des dritten Reiches" und Siegfried Freibergs "Kleinem Welttheater" manifestierte sie 1948 die Wandlung des "Augustins" vom politischen Kabarett zum "Theater der Courage", wo sie vor allem zeit- und gesellschaftskritische Stücke sowie Werke junger österreichischer Autoren zur Aufführung brachte. 1960 bezog das Theater einen neuen Raum in Wien 1, immer noch unter der Leitung von Stella Kadmon, die sie bis zum Dezember 1981 inne hatte. Danach übernahm E. Werner den Fundus des "Theaters der Courage" und gründete damit das "Theater in der Drachengasse".8

Eine neue Zeit brach an im Kabarett und verlangte nach neuen Gesichtern, neuen Spielstätten und - nach neuen Medien. Dem Nachkriegskabarett der Fünfziger Jahre eröffnete sich durch die Nutzung der elektronischen Medien wie Rundfunk oder Fernsehen erstmals die Möglichkeit, Kabarett auch für ein breites Publikum zugänglich zu machen, wenn auch zu Beginn nur in sehr bescheidenem Ausmaß:

- Maxi Böhm:

wechselt 1945 vom Provinzbühnenschauspieler zum Kabarettisten, Autoren und Regisseur der Linzer Kleinkunstbühne "Eulenspiegel". Zur selben Zeit arbeitet er bereits als Conférencier beim Sender Rot-Weiß-Rot.

- Helmut Qualtinger und Michael Kehlmann:

gründen 1946 das Studentenkabarett "Studio der Hochschulen". Nebenbei verfaßt Qualtinger mit Carl Merz Texte für den Rundfunk.

- Gunther Philipp und Peter Wehle:

eröffnen 1946 in Salzburg gemeinsam das -->Reisekabarett "Die kleinen Vier".

 

Eine neue Zeit also, geprägt von den Gegensätzen zwischen Siegern und Besiegten in Europa. Wohlstand und Luxus auf der einen Seite - Armut und Elend auf der anderen. Außerhalb der Grenzen Österreichs hatte das Leben wieder seinen mehr oder weniger normalen Lauf genommen. So berichtet beispielsweise Louise Martini in ihrer Autobiographie:

"Sommer 1950. Ich war achtzehn Jahre alt. Die Haare waren kurz, die Röcke lang, halbe Wade mindestens.>NewLook< hatte der Pariser Modepapst Christian Dior diktiert: schmale Taille, weitschwingende Glockenröcke aus edlen Materialien - für die, die sich's leisten konnten. Die Illustrierten waren voll mit Bildern ungeheurer, unerschwinglicher Eleganz."9

In Österreich war von dieser allmählichen Wiederauferstehung Europas freilich noch nicht viel zu verspüren. Immer noch steckte das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise. Man war froh, daß es inzwischen für die meisten zum Leben reichte. Für Schauspielergagen blieb da nicht mehr allzuviel übrig. Louise Martini schreibt weiter über ihr erstes Engagement im "Kleinen Theater im Konzerthaus":

" Ich bekam zwei Fahrscheine pro Abend. Zwei Fahrscheine waren gleich zwei Schilling. 1950 kostete eine Straßenbahnfahrt tatsächlich einen Schilling! Wenn man zu Fuß ging und die Direktion keine Vorverkaufsfahrscheine austeilte, sondern bar bezahlte, konnte man sich für eineinhalb Abendgagen ganze zwei Mokka kaufen."10

Wie man von zwei Schilling Gage pro Abend leben konnte, ist eine andere Frage. Tatsache ist jedenfalls, daß es genug Leute gab, die sich auch von diesen denkbar schlechten Aussichten nicht von ihrem Lebenstraum, Schauspieler oder Kabarettist zu werden, abbringen ließen. Ganz im Gegenteil, gab es doch sogar genug Künstler auf diesem Gebiet, um erstmals in der Geschichte des österreichischen Kabaretts, eine deutliche Zweiteilung auftreten zu lassen.

Das Nachkriegskabarett lebte geradezu von der Spannung zwischen dem Unterhaltungskabarett eines Karl Farkas und seiner vorwiegend am Simpl tätigen Truppe auf der einen Seite und dem politischen Kabarett der Gruppe um Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger, der unter anderem auch Michael Kehlmann, Georg Kreisler, Louise Martini, Carl Merz und Peter Wehle angehörten, auf der anderen Seite. Die wichtigeren Impulse, die auch außerhalb von Österreich aufhorchen ließen, kamen zweifellos von der zweiten Gruppe. Mehr Erfolg beim Massenpublikum erzielten freilich die anspruchsloseren Darbietungen am "Simpl".

 

3.1 Das "Simpl"

- In Ernst Waldbrunn hatte Karl Farkas einen idealen Partner für seine charakteristischen Doppelconférencen gefunden. Der am 14. August 1907 in Krumau geborene Schauspieler und Kabarettist wollte eigentlich schon von Kindesbeinen an seinen Lebensunterhalt "auf den Brettern, die die Welt bedeuten", verdienen. Trotzdem studierte er nach dem Abschluß des Gymnasiums fürs erste an der Prager Karlsuniversität Jus, bevor er 1938 sein erstes Engagement am Stadttheater in Mährisch-Ostrau erhielt. Dort lernte er 1938 den bereits auf der Flucht befindlichen Karl Farkas kennen und machte auf ihn anscheinend genug Eindruck, um nach Ende des Krieges von ihm ans "Simpl" geholt zu werden. Durch sein charakteristisches Stottern auf der Bühne wurde Waldbrunn schnell zu einem Wiener Publikumsliebling, obgleich er auch als Charakterdarsteller an verschiedenen Bühnen, vor allem am "Theater in der Josefstadt", beachtliche Erfolge feierte. Ab 1948 wirkte Waldbrunn auch in zahlreichen Fernsehfilmen mit, wie zum Beispiel "Meistersinger" (1950), "Lachendes Wien" (1957) und "Im Prater blühn wieder die Bäume" (1958).

- Von 1950 bis 1954 gehörte auch Waldbrunns Ehefrau Elfriede Ott, die spätere Lebensgefährtin des Theaterkritikers und Bachmann-Entdeckers Hans Weigel, zum festen Kern von Farkas Ensemble. Die bei L. Medelsky ausgebildete Kammerschauspielerin debütierte 1950 am Wiener Burgtheater und spielte für kurze Zeit am Landestheater in Graz, bevor sie zum "Simpl" kam. Ab 1954 trat sie nur mehr am Theater in der Josefstadt auf und widmete sich später neben der Schauspielerei auch noch anderen Aufgaben wie der Aquarellmalerei. 1969 wurde Elfriede Ott für ihre Verdienste mit der Kainzmedaille ausgezeichnet. Nach Jahren engagierter Fernsehtätigkeit ( u. a. in der TV-Serie "Die liebe Familie" ) ist sie seit 1982 maßgeblich an den Regietätigkeiten der Nestroy-Sommerspiele auf Burg Liechtenstein in NÖ beteiligt. Seit 1985 leitet sie eine Schauspielklasse am Konservatorium der Stadt Wien und machte zuletzt mit ihrem 1994 erschienen Buch "Hans Weigel quergelesen" auf sich aufmerksam.

- Im selben Jahr, als Elfriede Ott das "Simpl" verließ, stieß der bereits erwähnte Maxi Böhm zum Ensemble und wurde in den nächsten 20 Jahren zu einem der engsten Mitarbeiter Karl Farkas', der 1971 verstarb. Ab 1974 spielte er am Volks- und Raimundtheater sowie am "Theater an der Wien". Zwei Jahre später wurde er Mitglied des "Theaters in der Josefstadt", was er bis zu seinem Tod 1982 auch blieb.

- Biographie von Karl Farkas:
Geboren in Wien 28.10.1893
Gestorben in Wien 16.5.1971 - Kabarettist, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller.
1920 an der "Neuen Wiener Bühne", dann am Wiener Kabarett "Simpl", wo er gemeinsam mit Fritz Grünbaum die Doppelconférence entwickelt.
1926 übernimmt Farkas gemeinsam mit Grünbaum die Leitung des Wiener Stadttheaters.
1927Farkas übernimmt die Leitung des "Moulin Rouge" und des "Simpls", das er mit einer Unterbrechung von 1938 bis 1946 ( Emigration nach den USA ) bis zu seinem Tod 1971 leitet.

- Eine, die bereits mit 15 Jahren genau wußte, was sie wollte, war die Kabarettistin, Sängerin und spätere Ehefrau von Hugo Wiener: Cissy Kraner. Denn bereits in diesem zarten Alter stand die eigentlich auf den Namen Gisela getaufte Chansonnière auf diversen Wiener Kleinkunstbühnen, wobei sie auch ihren späteren Ehemann kennenlernte. Nebenbei studierte sie Gesang am Wiener Konservatorium. Als im Frühjahr 1938 deutsche Truppen in Österreich einmarschierten, emigrierte die inzwischen 20-jährige als Nichtjüdin gemeinsam mit ihrem jüdischen Partner Hugo Wiener nach Kolumbien. 1943 heirateten die beiden in Caracas (Venezuela) und begannen mit englischen und spanischen Chansons, die Hugo Wiener eigens für seine Frau komponierte, eine Karriere, die sie nach ihrer Rückkehr 1949 am "Simpl" fortsetzten. 1966 schied Cissy Kraner aus dem "Simpl" Team aus, kehrte aber nach dem Tod von Karl Farkas für drei Jahre wieder dorthin zurück. Gemeinsam mit ihrem Mann tourte sie durch Österreich, Deutschland, Israel und Südamerika und trug dort so bekannte Chansons wie "Verzwickte Verwandschaftsverhältnisse" vor. Seit dem Tod von Hugo Wiener gastiert sie mit seinen Chansons unter der Begleitung des Conférenciers und Pianisten Herbert Prikopa.

- Die neben Karl Farkas wohl schillerndste Figur im "Simplicissimus" war der Ehemann von Cissy Kraner, der 1904 in Wien geborene Komponist, Kabarettist und Schriftsteller Hugo Wiener. "Ich wünsch mir zum Geburtstag einen neuen Vorderzahn", "Der Nowak läßt mich nicht verkommen" und all die anderen Ohrwürmer, mit denen seine Frau so große Erfolge feierte, stammen von ihm. Desgleichen die berühmten Doppelconférencen, die er gemeinsam mit Karl Farkas schrieb.

Daß es die Musik ist, die sein Leben bestimmen sollte, dessen war sich Hugo Wiener schon sehr früh bewußt. Trotzdem schlug er sich nach dem Musikstudium zunächst als Schauspieler an verschiedenen Wiener Bühnen durch, bis er schließlich 1928 als Hausautor der Kleinkunstbühne "Femina", für die er in zehn Jahren 65 Programme verfaßte, eine Anstellung fand. Nebenbei komponierte er bis 1938 noch mehrere Operetten. Mit dem Einmarsch Hitlers und der Schließung fast aller Kleinkunstbühnen verlor Hugo Wiener seinen Posten und damit jeglichen Mut, weiterhin in Österreich zu bleiben: gemeinsam mit Cissy Kraner floh er nach Kolumbien ins Exil. Als der Krieg vorüber war, kehrten die beiden inzwischen verheirateten Künstler nach Österreich zurück, um ihre bereits in Venezuela begonnene, gemeinsame Karriere am "Simpl" fortzusetzen. Nach Farkas' Tod schrieb Wiener die "Simpl"-Programme drei Jahre lang allein, verfaßte Komödien und Bearbeitungen bekannter Operetten und Musicals für Bühne und Fernsehen, schrieb Drehbücher und arbeitete zudem ständig an den ZDF-Sendereihen "Spaß mit Musik", "Das verrückte Paar" und "Traumland Operette" mit. Seit 1972 schrieb er obendrein noch humoristische Bücher.

Insgesamt hat Hugo Wiener über 100 Kabarettprogramme verfaßt und etwa 400 Chansons geschrieben und vertont. Mit seinem Tod im Mai 1993 starb wohl einer der bedeutendsten Kleinkünstler Österreichs.

 

3.2 Politisches Kabarett um Helmut Qualtinger

So bedeutend und unvergessen Kabarettgrößen wie Farkas und Waldbrunn auch heute noch sind, der unumstrittene "Star " zu dieser Zeit war ein anderer. Helmut Qualtinger war es, der die Wiener Kleinkunstszene auf ein bis dato nie gekanntes Niveau heben sollte.

Qualtinger und BronnerDabei fingen die ersten Versuche des später oft als "Genie" bezeichneten keineswegs vielversprechend an. Die Arbeit an den Studentenkabaretts "Studio der Hochschulen" und "Grimasse" mag zwar mit Sicherheit den Grundstein für die weitere Entwicklung Qualtingers gelegt haben, Erfolge bei Kritik und Publikum brachte sie jedoch nicht. Auch als Autor von Theaterstücken war dem Medizinstudenten vorerst kein Erfolg beschieden: sein Stück "Jugend vor den Schranken" wurde 1949 sogar von der Zensur verboten.11 Einen Bereich allerdings gab es, in dem Qualtinger schon immer als unschlagbar galt: Sein Ruf als größter Spaßvogel Wiens kam nicht von ungefähr. Mit der Erfindung des Eskimodichters Kobuk sorgte der noch nicht einmal 23-jährige auch außerhalb von Österreich für Schlagzeilen - allerdings erst, nachdem die Blamage der österreichischen Presse bereits komplett war.

Auf von einer dort arbeitenden Freundin gestohlenen Briefbögen des P.E.N.-Clubs hatte Qualtinger sämtlichen Wiener Zeitungen die Ankunft des berühmten Dichters aus Grönland, seines Zeichens Autor so bekannter Werke wie "Brennende Arktis", angekündigt. Der namhafte Schriftsteller, der bereits mit MGM Hollywood wegen der Verfilmung eines seiner Werke in Kontakt stand, so hieß es in dem gefälschten Bereicht weiter, sei nach Wien gekommen, um mit einigen Wiener Theatern wegen der Aufführungsrechte an seinen Dramen "Einsames Iglu" und "Republik der Pinguine" zu verhandeln. Und tatsächlich traf am bewußten Tag ein mit Pelzmütze bekleideter und daher sehr "arktisch" wirkender Herr am Wiener Westbahnhof ein, der sich allerdings, sehr zum Entsetzen der zur Begrüßung versammelten Journalisten, als schadenfroher und nur allzu bekannter, österreichischer Kabarettist entpuppte.

"Keinem der Redakteure war es eingefallen, hinter diesem Pinguinzauber eine vollfette Ente zu vermuten."12 spöttelte die deutsche "Welt" tags darauf in einem großen Bericht, hatte sich doch als ausländisches und somit von Qualtinger unbehelligt gebliebenes Blatt leicht lachen. Der wahre Sieger dieses wohl einzigartigen Schabernacks, war ein anderer: " Qualtinger konnte seinen >Ruhm< als Bohemien, als Promenadenmischung von Schriftsteller, Schauspieler, Kabarettist und Spaßvogel erneut festigen."13 schrieb die "Welt" weiter - und zumindest damit hatte sie recht. Ob die Redakteure der "Welt" um so vieles schlauer gewesen wären als ihre Wiener Kollegen und Qualtingers Spuk durchschaut hätten - ich möchte es dahingestellt sein lassen.

Aber nicht nur Aktionen wie diese sorgten dafür, daß Qualtinger bis heute ein Mythos geblieben ist. Vielmehr waren es neben all seinen journalistischen, schauspielerischen und schriftstellerischen Tätigkeiten letztlich auch seine legendär gewordenen Kabarettprogramme, die er zusammen mit einem erstklassigen Team auf die Bühne stellte, welche die Kleinkunst der fünfziger Jahre so entscheidend mitgeprägt haben.

Bezeichnend ist, daß sich die Gruppe Zeit ihres Bestehens nie einen Namen gab: man ging einfach "zum Qualtinger". Wo genau das allerdings war, wußte man nie so recht, denn bis zu ihrer Auflösung im Mai 1961 bespielte die Truppe mehrere Häuser. Nach den ersten großen Erfolgen im "Kleinen Theater im Konzerthaus" mit der modernen Schnitzler-Parodie "Reigen 51-10" brachte das inzwischen aus Qualtinger, Kehlmann, Merz und Bronner bestehende Ensemble im Herbst 1952 ihr erstes reines Kabarettprogramm "Brettl vorm Kopf" heraus. Besonders bemerkens-wert, da noch heute für die meisten von uns ein Begriff, erscheint mir das von Gerhard Bronner für dieses Programm komponierte und von Qualtinger vorgetragene Chanson "Der g'schupfte Ferdl". Ein Jahr später brach die Gruppe durch den Weggang Kehlmanns und Bronners zum NDR in Hamburg auseinander, formierte sich aber im Jahre 1955 nach der Rückkehr Bronners erneut und präsentierte im Sommer 1956 im "Intimen Theater" ihr zweites Programm"Blattl vorm Mund". Ein Jahr später folgte "Glasl vorm Aug" (siehe Abb. 17.1)14 mit Helmut Qualtinger, Georg Kreisler, Louise Martini, Gerhard Bronner, Carl Merz und dem inzwischen neu hinzugekommenen Peter Wehle in den Hauptrollen. Ein Jahr lang ohne festes Haus spielte die Gruppe 1958 ihr Programm "Spiegel vorm G'sicht" kurzerhand im Fernsehen und zwar mit so großem Erfolg, daß die Zuschauerzahlen nur noch von der Sportschau übertroffen werden konnten. 1959 erwarb Bronner das "Neue Theater am Kärntnertor" und eröffnete es im Oktober mit dem Programm "Dachl überm Kopf". Genau ein Jahr später, im Oktober 1960, folgte das letzte Programm "Hackl vorm Kreuz". Kurz darauf brach die Gruppe auseinander . Louise Martini schreibt darüber:

"Es war wohl an der Zeit. Es herrschte keineswegs Harmonie hinter der Bühne des Kärntnertor-Theaters. (...) Wir trennten uns, ohne Abschiedsfeier, ohne Tränen und große Worte. Einige hatten sowieso nur noch via Einschreiben miteinander kommuniziert."15

Trotzdem haben diese Künstler in den knapp 10 Jahren ihrer Zusammenarbeit das österreichische Kabarett mehr geprägt als manch einer es Zeit seines Lebens zu tun im Stande gewesen wäre. Daß ein Großteil dieses Verdienstes Helmut Qualtinger zufällt, bleibt unbestritten. Dennoch sollte man bei all den Lobeshymnen nicht darauf vergessen, auch die Nachteile dieses auf den ersten Blick so perfekt erscheinenden Bilderbuchkabarettisten zu erwähnen. So modern und zeitgemäß Qualtingers Schaffen aus heutiger Sicht auch erscheint, seine Einstellung Frauen gegenüber war es mit Sicherheit nicht:

"Daß ich auch schreiben sollte, stand nicht zur Debatte. Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt gekonnt hätte, aber auch wenn, hätten die Männer es nicht zugelassen. Es waren starke Männer, ich habe von ihnen viel gelernt, aber es war auch nicht immer ganz einfach."

Aus: Martini Louise, Ein o für Louise - Wien in den 50er Jahren. Deuticke.1998.

Sowohl Helmut Qualtinger als auch Carl Merz hielten an der alten Tradition fest, daß "eine Frau das zu spielen hat, was absolut nicht von einem Mann dargestellt werden kann" und nach der galt: "Politische Aussage - nicht aus dem Mund einer Frau."16 Ohne Zweifel waren auch diese geschlechterspezifischen Differenzen nicht ganz unbedeutend für die frühe Auflösung der Gruppe, denn am mangelnden Erfolg lag es sicher nicht. Für Qualtinger und Merz war mit dem Ende der Aufführungen im Kärntnertortheater keineswegs auch das Ende ihrer großartigen Karriere gekommen - im Gegenteil: es sollte nur noch ein knappes Jahr dauern bis genau diese beiden mit ihrem "Herrn Karl" das ganze Land in Aufruhr versetzten.

 

Helmut Qualtinger

Geboren am 8. Oktober des Jahres 1928 in Wien studierte Qualtinger eigentlich Medizin, war dann aber vorwiegend als Journalist (Filmkritiker und Lokalreporter), Schauspieler und Autor tätig. Bereits während seiner Studienzeit arbeitete er an der von ihm und dem Philosophiestudenten Michael Kehlmann 1946 gegründeten Kabarettgruppe "Studio der Hochschulen" und dem Studentenkabarett "Grimasse " mit. 1946/47 traf er im Team des "Lieben Augustin" erstmals mit Carl Merz zusammen. Sein Theaterstück "Jugend vor den Schranken" wurde 1949 von der Zensur verboten. Ein Jahr später stand das von Qualtinger gemeinsam mit Kehlmann und Merz geschriebene Programm "Blitzlichter" im "Kleinen Theater im Konzerthaus" auf dem Spielplan, blieb allerdings von der Kritik weitgehend unbeachtet. Der endgültige Durchbruch gelang Qualtinger mit einer modernen Parodie auf Arthur Schnitzlers "Der Reigen", die den Titel "Reigen 51-10 Variationen auf ein Thema von Schnitzler" trug. In den Jahren '52 bis '61, mit einer Unterbrechung von drei Jahren,brachte das namenlose Team um Qualtinger in wechselnden Räumlichkeiten die sechs Programme "Brettl vorm Kopf"(1952), "Blattl vorm Mund" (1956), "Glasl vorm Aug"(1957), "Spiegel vorm G'sicht"(1958 im TV), "Dachl überm Kopf"(1959) und "Hackl vorm Kreuz" (1960) heraus, bevor sich die Truppe endgültig auflöste. Qualtingers einmaligstes Werk allerdings, ist wohl der gemeinsam mit Merz geschriebene und bis heute unvergessene "Herr Karl", der im Jahre 1961 im österreichischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und für heftige Diskussionen sorgte. Neben seiner Tätigkeit als Kabarettist spielte Qualtinger am Wiener Volkstheater, wirkte bei Theater-, Film-, Fernseh- und Rundfunkproduktionen als Schauspieler und Autor mit und trug in Lesungen aus Werken wie "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus oder "Mein Kampf" von Adolf Hitler vor. 1986 brillierte der bereits wegen seiner wiederholten Alkoholprobleme von einem Leberleiden schwer gezeichnete Qualtinger neben Sean Connery in der Umberto-Eco-Verfilmung "Der Name der Rose" ein letztes Mal in der Rolle eines (Ironie des Schicksals !) versoffenen Paters, bevor er noch im selben Jahr am 29. September in Wien verstarb.


Louise Martini (eigent. Marie-Louise Chiba, verehelichte Schwarz)

Louise Martini wurde am 10. November 1931 in Wien geboren. Bereits während ihrer Gymnasialzeit mitten in den schlimmsten Nachkriegsjahren setzte sich die junge Louise Chiba, übrigens sehr zum Entsetzen ihrer Mutter, in den Kopf, Schauspiel am Wiener Reinhardt-Seminar zu studieren. Nach wider Erwarten doch bestandener Aufnahmsprüfung versuchte Martini zuerst Schule und Reinhardt-Seminar unter einen Hut zu bringen, was allerdings auf Kosten der Schule ging - nach ein paar Wochen bekamen die ahnungslosen Eltern einen Brief vom Mädchengymnasium Lange Gasse, wo denn ihre Tochter geblieben sei. Der Haussegen hing nun gewaltig schief, wurde aber glücklicherweise vom Schuldirektor höchstpersönlich wieder ins rechte Lot gebracht, als er ihrer Mutter vorschlug, Louise könne das letzte Jahr an der Schule als sogenannte "Privatistin" absolvieren. Tatsächlich hielt die bereits eifrig studierende Louise im Jahr darauf ihren besorgten Eltern ein Maturazeugnis unter die Nase. Um ihr Studium finanzieren zu können, war die damals knapp Siebzehnjährige permanent auf der Suche nach Nebenjobs und landete schließlich beim Fremdsprachenschulfunk - als Entenmutter in "The ugly duckling" ! Die Rollen wurden bald besser und Louise Martini legte in diesen ersten Tagen den Grundstein für ihre spätere Rundfunkkarriere. Im Jahre 1950 schloß sie ihre Ausbildung am Reinhardt-Seminar erfolgreich ab17 und trat ab dieser Zeit regelmäßig an Wiener Kleinkunstbühnen auf. Mit Beginn ihrer Schauspielkarriere beschloß Louise außerdem, daß es nun wohl an der Zeit wäre, sich einen Künstlernamen zuzulegen und nahm kurzerhand den Mädchennamen ihrer Mutter, ohne diese jedoch vorher zu fragen, in Besitz. Deren Reaktion war keineswegs mit Stolz erfüllt: "Ihre einzige Sorge war: >Alle werden glauben, du bist ein uneheliches Kind !< - Naja, man schrieb das Jahr 1950."18 Daß "Frau" zu Beginn der fünfziger Jahre auch in künstlerischen Belangen nicht immer so ernst genommen wurde, wie sie es sich eigentlich erträumt hätte, sollte die frischgebackene Schauspielerin auch in den Jahren 1956-61 während ihrer Zusammenarbeit mit Helmut Qualtinger und dem Rest der Gruppe noch erfahren. Als sie einmal während einer laufenden Vorstellung ob eines mißlungenen Kostümwechsels halblaut zu fluchen begann, trat Qualtinger mitten in der Szene von der Bühne ab und schwor ihr, nie wieder ein Wort mit ihr zu wechseln. "Und er hat sich eine Weile dran gehalten. Wir spielten weiter jeden Abend, wir sangen Duette, ich saß auf seinem Schoß, wir tanzten Boogie, blickten uns in einer Opernparodie tief in die Augen, aber nach der Vorstellung redete er nicht mit mir, ja er verließ Lokale, wenn ich zur Tür hereinkam."19 Obwohl sich die Situation bald wieder besserte, war Louise Martini nicht so besonders unglücklich darüber, daß sich die Gruppe 1961 auflöste und tatsächlich gelang ihr ein Jahr später in München mit der Rolle der "Irma la Douce" der künstlerische Durchbruch. Danach folgten Jahre als Schauspielerin in Deutschland und wechselnde Fernseh- und Hörfunktätigkeiten beim ORF ("Mittags-Martini", "Martini-Cocktail"), beim Bayerischen und beim Westdeutschen Rundfunk. Louise Martini lebt heute in Wien und brachte im Herbst dieses Jahres ihre (hier oft strapazierte !) Autobiographie "Ein o für Louise" heraus, die im Deuticke Verlag erschienen ist.


Gerhard Bronner

Der am 23. 10. 1922 in Wien als Jude geborene Komponist und Kabarettist war einer der vielen Künstler, die nach dem Einmarsch Hitlers nur noch eine Möglichkeit sahen: die Emigration. 1938 flüchtete er als Fünzehnjähriger über Brünn und England nach Palästina, kehrte aber nach dem 2. Weltkrieg wieder nach Wien zurück, wo er ab 1948 als Pianist in der Marietta-Bar mit seinen eigenen Chansons sowie gastweise im "Simpl" auftrat. 1950 stieß er auf die Gruppe Qualtinger-Kehlmann-Merz und steuerte für deren ersten großen Erfolg "Reigen 51-10" die Musik und gesungenen Conférencen bei. Ebenso war er bei dem 1952 herausgebrachten Programm "Brettl vorm Kopf" für den musikalischen Teil verantwortlich. 1953 nahm Bronner ein Angebot des NDR in Hamburg für die Stelle des musikalischen Leiters in der Unter-haltungsabteilung an, kehrte aber zwei Jahre später wieder nach Wien zurück, pachtete die Marietta-Bar, in der er erst mit Peter Wehle und dann mit Georg Kreisler gemeinsam auftrat und arbeitet erneut mit Qualtinger und seiner Gruppe zusammen. Als Interpret fremder Text wurde er vor allem mit den von Qualtinger und Merz geschriebenen "Travnicek-Dialogen" bekannt. In dem ebenfalls von Bronner gemeinsam mit Georg Kreisler gepachteten "Intimen Theater" spielte die Gruppe zwischen 1956 und 1957 die Programme "Blattl vor'm Mund" und "Glasl vor'm Aug", danach 1958 im TV das Programm "Spiegel vorm G'sicht" mit Bronners Chanson "Der Papa wird's schon richten" auf das hinauf der österreichische Nationalratspräsident Hurdes zurücktreten mußte. Im Oktober 1959 erwarb Bronner das "Neue Theater am Kärntnertor" das er mit "Dachl überm Kopf"20 eröffnete. Nach dem Auseinanderbrechen der Qualtinger-Truppe bespielte Bronner das Theater mit dem Grazer Kabarett "Der Würfel", bevor es im Februar 1966 schloß. Danach trat er zeitweise im "Simplicissimus" auf, betreute die ORF Sendereihe "Das Zeitventil", erstellte österreichische Fassungen von Musicals (unter anderem "My Fair Lady"), betreibt seit 1970 ein eigenes Film- und Fernsehstudio in Wien und leitete in den Jahren zwischen 1979 und 1988 sein eigenes Kabarett die "Fledermaus-Bar" und das Hörfunkkabarett "Guglhupf". Zuletzt übersetzte er 1984 Ephraim Kishons "Abraham kann nichts dafür" ins Deutsche.

 

Carl Merz (eigentlich Carl Czell)

Der am 30. 1. 1906 in Kronstadt (Siebenbürgen) geborene Schriftsteller, Kabarettist und Kabarettautor kam 1924 nach Wien, wo er zunächst als Schauspieler und Conférencier tätig war. Von 1932 an gilt er als einer der maßgebenden Initiatoren der Wiener Kleinkunstbühnen und trat vor allem in der "Literatur am Naschmarkt" auf. Nach deren Verbot 1938 spielte er an verschiedenen österreichischen und reichsdeutschen Bühnen, wobei er sich wiederholte Male Ärger mit den zuständigen nazideutschen Stellen einhandelte und einige Zeit wegen Kritik am Nationalsozialismus in Haft verbrachte. Nach Kriegsende übernahm er 1946/47 die Leitung des "Lieben Augustin" und wurde dabei auf den Nachwuchskabarettisten Helmut Qualtinger aufmerksam. Dieser machte ihn mit seinem Studienfreund und Kabarettkollegen Michael Kehlmann bekannt. 1950 erzielten die drei mit ihrer Schnitzler-Parodie "Reigen 51-10" erste Erfolge und taten sich zwei Jahre später zu einem festen Team ohne Namen zusammen. Die Erfolge dieser legendären, bis 1961 bestehenden Gruppe dürften nun schon hinlänglich bekannt sein. Unsterblich machte sich Merz vor allem durch die in Zusammenarbeit mit Helmut Qualtinger entstandenen "Travnicek-Dialoge" und die unvergessene TV-Produktion "Der Herr Karl". Nach der Auflösung der Gruppe 1961 schrieb Merz unter anderem die satirischen Stücke "Alles gerettet" (1963) und "Die Hinrichtung" (1965), verfaßte zahlreiche Romane und Gedichte, schrieb Drehbücher und arbeitete für Rundfunk und Fernsehen. Am 30. 10. 1979 nahm er sich im Alter von 73 Jahren, an einer unheilbaren Krankheit leidend, in Wien das Leben.

 

Peter Wehle

Der am 9. 5. 1914 in Wien geborene Sohn eines Rechtsanwaltes studierte zuerst Jus und Germanistik und absolvierte danach eine Klavier- und Violinausbildung. 1935/36 ging er als Autor und Interpret zum "Regenbogen". Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges gründete Wehle 1946 in Salzburg gemeinsam mit Gunther Philipp das Reisekabarett "Die kleinen Vier" dessen musikalischer Leiter er von 1950 - 57 wurde. Größere Berühmtheit erlangte er erst 1956 durch seine Zusammenarbeit mit Helmut Qualtinger, Gerhard Bronner und Georg Kreisler. Neben den Kabarettprogrammen dieser Gruppe trat Wehle am "Intimen Theater" zudem mit kabarettistischen Stücken auf, wie zum Beispiel "Ich und der Teufel", das er gemeinsam mit Gerhard Bronner 1957 geschrieben hatte. Gemeinsam mit ihm rief er auch die Rundfunksendung "Der Guglhupf" ins Leben. Die nächsten Jahre hindurch spielte und schrieb er für die Nachfolgekabaretts im "Neuen Theater am Kärntnertor", komponierte Musikstücke für Film und Fernsehen, Chansons und Wienerlieder (die er auch selbst vortrug) und verfaßte Schlagertexte (u. a. für Peter Alexander). 1975 promovierte er über die "Wiener Gaunersprache" zum Dr.phil., veröffentlichte zwei Jahre später ein Buch über dieses Thema und publizierte 1983 nach einer Reihe weiterer Bücher seine Autobiographie "Der lachende Zweite - Wehle über Wehle". Er starb am 18. Mai 1986 in Wien.

 

Georg Kreisler

Georg Kreisler wurde am 18. 7. 1922 in Wien geboren, besuchte das Realgymnasium und studierte Klavier, Violine und Musiktheorie. 1938 emigrierte er mit seiner Familie in die USA, wo er an der University of Southern California dirigieren, komponieren und orchestrieren lernte. Zwischen 1942 und 1944 leistete er in den Vereinigten Staaten seinen Militärdienst ab und war zwischendurch als Dolmetscher in Europa tätig. 1945/46 arbeitete er in Hollywood gemeinsam mit Charlie Chaplin an dessen Film "Monsieur Verdoux" und komponierte die zugehörige Filmmusik. Nach jahrelangen Tourneen durch die USA kehrte er 1955 als amerikanischer Staatsbürger nach Wien zurück, trat in der Marietta-Bar mit eigenen Chansons auf und traf schließlich auf Gerhard Bronner, mit dem er gemeinsam das "Intime Theater" pachtete und in sämtlichen Qualtinger-Programmen bis 1957 mitwirkte. Danach zog er mit seiner Frau Topsy Küppers zuerst nach München, 1957 nach West-Berlin. Mit ihr spielte er die Programme "Zwei alte Tanten tanzen Tango" (1961), "Lieder für Fortgeschrittene" (1967), "Protest nach Noten" (1968) und "Gemma Wiener vergiften" (1969). Nach der Trennung von seiner Frau war er wieder mit Soloprogrammen unterwegs. Mit seiner vierten Frau Barbara Peters, die seit 1977 auch seine Programmpartnerin ist, brachte er bisher neun Duoprogramme heraus. Zudem zeichnet er sich als Autor von zahlreichen Bühnenstücken, Liedsammlungen seiner rund 600 Chansons und Fernsehspielen verantwortlich. 1990 bzw. 1996 folgten die Romane "Ein Prophet ohne Zukunft" und "Der Schattenspringer". Georg Kreisler wurde 1988 mit dem Ehrenzeichen der Stadt Wien in Gold ausgezeichnet.

 

4. Von 1961 bis 1970

Die Fünziger Jahre gingen zu Ende und mit ihnen auch die materielle Not in Österreich. Die Souveränität des Staates war nun seit fünf Jahren vertraglich fixiert, mit der Wirtschaft ging es wieder aufwärts, die finanzielle Hilfe aus dem Ausland schien genauso gegriffen zu haben wie die 1947 durchgeführte Währungsreform, die die Inflation gestoppt hatte, man wohnte in kleinen Garconnièren mit Nierentischen und Schalenfauteuils, der erste Hausmeister und seine Frau fuhren nach Italien auf Urlaub und zum Schuhe kaufen - und das neue Jahrzehnt begann mit einem Paukenschlag aus der Kabarettszene, der manch einen an unangenehme Dissonanzen aus der Vergangenheit Österreichs erinnerte.

Genauer gesagt kamen die unangenehmen Klänge sogar aus dem Keller eines Delikatessen-geschäftes Ecke Führichgasse-Tegethoffstraße im 1. Bezirk, denn dieser dreistöckige Laden soll die Geburtsstätte des "Herrn Karl" gewesen sein. So unwahrscheinlich es klingen mag und so wenig es für unser Land und seine Bewohner spricht, aber die Figur dieses "hauptberuflichen Opportunisten" ist leider keine Erfindung der Herren Merz und Qualtinger: den "Herrn Karl"21, oder besser gesagt sein historisches Vorbild, hat es wirklich gegeben.

Theater am KärntnertorDer eigentliche Entdecker der Figur war allerdings keiner der beiden Autoren sondern der junge Schauspieler Nikolaus Haenel, der in Qualtingers Programm "Dachl überm Kopf" mitwirkte. Am Nachmittag vor den Kabarettvorstellungen im "Neuen Theater am Kärntnertor" trafen sich Qualtinger und Haenel nicht selten mit Schauspielerkollegen, Journalisten, Autoren und Rundfunkleuten im Delikatessenladen "TOP-Spezialitäten aus aller Welt" um gemeinsam mit dessen Besitzer Helmuth Hoffmann, einem guten Freund Qualtingers, über Gott und die Welt, Klatsch und Tratsch, über Politik und Tagesgeschehen und ausgefallene Delikatessen wie Ameisen in Schokolade aus Mexiko (!!) zu diskutieren. Eines Tages kam das Gespräch auf das Thema Beschäftigung und Nikolaus Haenel berichtete, daß er nach dem Ende der Spielzeit von "Dachl überm Kopf" und einem kleinen Engagement am Volkstheater eine arbeitslose Periode von drei Monaten zu überbrücken habe und daher auf der Suche nach einem Job wäre. Helmuth Hoffmann hatte gerade einen Posten als Geschäftsdiener zu vergeben, Qualtinger vermittelte und einige Zeit darauf füllte Nikolaus Haenel im Keller des "TOP" Regale, prüfte Lagerbestände und wischte den Boden auf. Die drei Monate waren schnell vergangen und der Zeitpunkt, da Haenel seine Arbeit wegen eines Engagements in der Schweiz aufgeben mußte, rückte immer näher. Die letzte Woche sollte der junge Schauspieler damit verbringen, seinen Nachfolger, einen gewissen Herrn Max, in die Geheimnisse des Geschäftsdienerdaseins einzuweihen. Herr Max war allerdings an den verantwortungsvollen Pflichten seiner bevorstehenden Tätigkeit nicht sonderlich interessiert und begann dem jungen Studenten Haenel, in einer sehr anschaulichen Art und Weise und mit den zwei sich im Lagerkeller befindlichen Stühlen als Requisiten, stattdessen seine Lebensgeschichte vorzuspielen. Haenel tat dasselbe - und zwar am Abend in der Snackbar "Halali" gleich um die Ecke, sobald er sich mit Helmut Qualtinger, der auf der Suche nach einer neuen Figur war, dort getroffen hatte. Herr Max spielte also tagsüber, Haenel nach Geschäftsschluß, Qualtinger am Abend nochmals das Gleiche für Carl Merz - und Carl Merz schrieb. Er schrieb an einem Theaterstück für zwei Personen, in dem er das Leben eines typischen Mitläufers, von den Sozialisten bis zur NSDAP, in aller Ausführlichkeit und unbeschönigter Detailgetreue nachzuzeichnen gedachte - nur leider begann die Rolle des Zuhörers mit jeder von Herrn Max erzählten Geschichte immer undankbarer zu werden. So ging das vier Tage lang, bevor Qualtinger beschloß, der "Hauptfigur in spe" seines neuesten Theaterstücks selbst unter die Augen treten zu wollen. Qualtinger kam also während Haenels letztem Arbeitstag bereits nachmittags höchstpersönlich in den Delikatessenladen, um mit Herrn Max ein Gespräch zu beginnen - doch dieser war, vermutlich weil er Qualtinger erkannt hatte, ungewöhnlich verschüchtert und schweigsam. Wie dem auch sei, der "Herr Karl" wurde trotzdem fertiggestellt, allerdings nicht als Zweipersonenstück. Der Oberspielleiter des österreichischen Fernsehens, Erich Neuberg, war es gewesen, der die Idee hatte, die Sendung als Monolog zu gestalten - mit der Kamera als Zuhörer. Die Erstausstrahlung des "Herrn Karl", mit Qualtinger in der Hauptrolle und unter der Regie von Erich Neuberg, erfolgte am 15. November 1961 und löste eine ungeheure Protestwelle aus. Im ganzen Land gingen die Emotionen hoch, die Zeitungsberichte überschlugen sich, die Telefondrähte beim österreichischen Fernsehen liefen heiß.

Am 2. Dezember 1961 schrieb Hans Weigel, ehemals selbst Kabarettautor und später von allen Künstlern als erbarmungsloser Kritiker gefürchtet, in der "Kronen-Zeitung" seinen mittlerweile schon fast legendär gewordenen Satz:

Der Herr Karl wollte einem Typus auf die Zehen treten, und ein ganzes Volk schreit >Au!<"22.

Diese eine Zeiletraf und trifft wohl noch immer den Nagel auf den, zumindest zu dieser Zeit, noch voll mit unbewältigter Vergangenheit gefüllten Kopf. Hans Weigel war es auch gewesen, der dem damaligen Regisseur des "Kleinen Theaters der Josefstadt im Konzerthaus" den "Herrn Karl" als Bühnenstück empfohlen hatte. Und tatsächlich, vierzehn Tage nach der Erstausstrahlung im österreichischen Fernsehen, am 30. November 1961, war Premiere. Begonnen wurde der Theaterabend mit Jean Cocteaus "Das Phantom von Marseille" und "Der schöne Teilnahmslose". Am 28. Februar 1962 übersiedelte das Stück in die auch zum "Theater in der Josefstadt" gehörenden, größeren Kammerspiele. Die folgenden Jahre hindurch tourte Qualtinger mit dem "Herrn Karl" durch Deutschland, wo er mit einer Reihe von Gastspielen in München, Berlin, Köln und etlichen anderen Städten ungeheuer an Popularität gewann.

Qualtinger und Merz hatten der österreichischen Bevölkerung genau im richtigen Moment einen >Spiegel vors G'sicht< gehalten, in dem das Zerrbild der beginnenden Dekadenz, wenn auch in sehr ungünstigem Licht, zum ersten Mal sichtbar wurde und die Spuren einer noch immer nicht aufgearbeiteten Vergangenheit zu Tage förderte. Hinter der perfekten Fassade der fünfziger Jahre, vorgetäuscht durch die makellose Scheinwelt der damals so populären Heimatschnulzen, schlummerte nach wie vor das Ungeheuer, das vor langer Zeit in Braunau geboren worden war und spie seine giftigen Dämpfe in die Seelen der Menschen.

Die neue Generation der sechziger Jahre, die die schrecklichen Jahre des Elends und des Hungers kurz nach dem zweiten Weltkrieg nicht miterlebt hatte, konnte diese Zeit der Entsagung nicht nachvollziehen und wußte mit dem kompromißlosen Streben ihrer Eltern nach immer mehr und mehr materiellem Luxus nichts anzufangen. Anstatt sinnlos Konsumgüter und Geld auf irgendwelchen Bankkonten anzuhäufen und sich selbst und anderen dabei permanent eine heile Welt vorzugaukeln, sollte doch endlich versucht werden, ideelle Werte wie Liebe und Gerechtigkeit, die längst nicht für alle Mitglieder der Gesellschaft geltend waren, in einem neuen System endgültig zu etablieren. Der Ruf nach Aufbruch, Erneuerung und Revolution war bald kaum mehr zu überhören und der Wunsch, dem althergebrachten Gesellschaftssystem, das offensichtlich mit der Maßlosigkeit der Naziverbrechen restlos überfordert gewesen war, einen neuen, linksgerichteten "Himmel auf Erden" entgegenzustellen, wurde immer stärker. Nicht umsonst gingen 1968 Studenten auf der ganzen Welt auf die Straße, um auf Transparenten allen, die sie hören wollten oder auch nicht, ihre Botschaft der Liebe und der Freiheit als stummen Schrei entgegenzuhalten und somit das Ende des Vietnamkrieges und endlich Frieden zu erzwingen.

Was in Deutschland im Zuge des ->APO-Kabaretts auf radikale Art und Weise schlagartig vor sich ging, hatte in Österreich schon Jahre zuvor mit dem "Herrn Karl" begonnen: die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit um ein Verbrechen solchen Ausmaßes nie wieder geschehen zu lassen. Doch so rührend idealistisch und voll Tatendrang die Aktionen damals auch waren - schlußendlich mußten auch die Blumenkinder der Tatsache ins Auge sehen, daß sich vom Kabarettkeller aus nicht die ganze Welt verändern läßt. Noch dazu vergaßen die meisten Darsteller der APO-Kabarettbühnen in ihrer Euphorie darauf, daß Radikalismus jeder Art, sei er nun links oder rechts gerichtet, stets wieder zum gleichen, und zwar von jeglichen Idealen des Kommunismus sehr weit entfernten, Ende führt. Was blieb, war der bittere Nachgeschmack einer unvermeidlichen Krise des Kabaretts in den Sechziger Jahren. Halten wir uns doch die Situation in Österreich noch einmal vor Augen:

Die Mitglieder der Qualtinger-Gruppe waren in alle Richtungen zerstreut, die meisten hatten sich als Schauspieler, Drehbuchschreiber oder Autoren satirischer Theaterstücke mehr den literarischen Formen zugewandt und waren in Deutschland oder beim Fernsehen tätig. Zwar betrieben Karl Farkas und Maxi Böhm am mittlerweile zur Institution in der Wiener Kulturszene gewordenen "Simplicissimus" nach wie vor mit großem Erfolg ihr Unterhaltungskabarett der alten Schule und auch Hans Weigel schrieb ab 1965 für seine Frau Elfriede Ott eigene Soloprogramme - die wirklich neuen Impulse blieben jedoch aus. Anstatt in den versteckten und fast illegal anmutenden Kellertheatern der Wiener Cafés wurde jetzt in krampfhaft auf Schmuddel-Chic getrimmten Sälen gelacht, das Kabarett als Alibi für eine funktionierende Demokratie und als willkommene, außerpolitische Opposition mißbraucht und von Politikern geschätzt, obwohl es eigentlich gehaßt werden wollte. Wer dazugehören wollte, ging hin. Die Leute rissen sich geradezu um Kabarettkarten, um sich in aller Öffentlichkeit ebenso herzhaft wie publicitywirksam über sich selbst zu amüsieren und sich als "Bürger mit Sinn für Humor" zu präsentieren. Es ist bezeichnend, daß ausgerechnet in den sechziger Jahren sowohl Michael Kehlmann (1966) als auch Elfriede Ott (1969) mit der Kainz-Medaille ausgezeichnet wurden. Das Kabarett wurde zu einer gesellschaftlich anerkannten Einrichtung, und das bereits leicht "Wohlstandsspeck" ansetzende Publikum der Wirtschaftswundergeneration schlürfte begeistert "den Kakao, durch den es da gezogen wird!"23, wie Erich Kästner einmal spöttisch bemerkte.

Gerade weil es lebte, war das Kabarett im eigentlichen Sinn, so wie es Carl Merz auf der ersten Seite beschrieben hat, gestorben. Und es sollte noch einige Jahre dauern, bis es ihm gelang, sich aus dieser liebevollen Zwangsumarmung der Gesellschaft wieder zu befreien.

5. Von 1971 bis 1990

Genau wie das vorangegangene begann auch dieses Jahrzehnt mit einem Paukenschlag im ersten Jahr: am 16. Mai des Jahres 1971 trat der ungekrönte König des Kabaretts endgültig von der Kleinkunstbühne ab: Karl Farkas war gestorben.

Seine Verdienste rund um das "Simpl", dessen Gestalt er in den 50 Jahren seiner Leitung geprägt hat wie kein anderer, bleiben unvergessen. Ebenso seine legendären, ursprünglich gemeinsam mit Fritz Grünbaum entwickelten, Doppelconférencen, mit denen zuerst Ernst Waldbrunn als sein Partner hoch in der Gunst des Wiener Publikums gestiegen war und die danach Maxi Böhm zu einem der beliebtesten Kleinkünstler und Schauspieler Österreichs werden ließen.

Das "Simpl" ohne Farkas war wie Suppe ohne Salz und hatte es auch niemals zu den bevorzugten Stätten politisch-satirischer Scharfzüngigkeit gehört, so waren während des letzten halben Jahrhunderts doch permanent Programme mit überdurchschnittlich hohem Unterhaltungswert und unter Mitwirkung geradezu genialer Darsteller und Conférenciers geboten worden.

Karl Farkas selbst nahm einmal Stellung zum Mangel an politischem und moralischen Tiefgang in seinem Theater und beschrieb sein Verständnis von Kabarett folgendermaßen:

" Ich will die Leute lachen machen - wenn sie später nachdenklich werden, gut.

Moralische Anstalt - bitte nein!"24

Ob sie später nachdenklich wurden oder nicht, bin ich außerstande zu beurteilen. Gelacht haben sie jedenfalls - und das fünfzig Jahre lang. Dem Wiener "Simplicissimus" war mit Farkas sein mit Sicherheit berühmtester Direktor abhanden gekommen. Martin Flossmann, dem neuen Leiter, gelang es ab 1974 zwar, das Theater mit anspruchslosen Darbietungen am Leben zu erhalten, an den Ruhm längst vergangener Tage konnte er allerdings nicht anknüpfen. Erst als 1992 M. Niavarani die Direktion übernahm, wurden die "Simpl"-Revuen auch in Kabarettkreisen wieder registriert.

Aus heutiger Sicht gesehen war mit dem Ableben des langjährigen Kabarettkönigs aber nun endlich die Zeit für den schon so dringend benötigten Generationswechsel im österreichischen Kabarett gekommen. Zwar waren die überschäumenden Träume der sechziger Jahre weitgehend ausgeträumt oder als nicht realisierbar akzeptiert worden, doch etwas von dem Unmut, der Jahre zuvor die Studenten scharenweise auf die Straßen getrieben hatte, blieb vorerst in den Kabarettkellern der frühen Siebziger Jahre noch hängen. Die Kabarettisten des neuen Jahrzehnts kehrten dem althergebrachten Nummernkabarett mit seiner vor allem am aktuellen, tagespolitischen Geschehen orientierten Kritik den Rücken und wandten sich neuen, der Politik als solches kritisch gegenüberstehenden und erweiterten Formen des Kabaretts zu. Doch die Regierung antwortete prompt - zu prompt für das Kabarett. Man wolle nun endlich das Wort >Demokratie< in seinem eigentlichen Sinne als Herrschaft des Volkes ernstnehmen und auch auf die Bedürfnisse der jungen oder benachteiligten Gesellschaftsmitglieder eingehen, tönte es aus den Ministerien. Diese sozialistisch angehauchte Reformfreude der Regierung nahm den doch so scharf kritisierenden Kabarettisten buchstäblich den Wind aus den Segeln - und erklärt vielleicht ein wenig die Vielfalt an Darbietungen, die in diesem Jahrzehnt unser Land überschwemmten. Einige der Ex-Revolutionäre nahmen den guten Willen der Politiker mit Erstaunen zur Kenntnis, sahen sich dadurch aber vollkommen überrumpelt und ihrer Aufgabe als Kabarettisten beraubt. Resigniert traten sie von der Kleinkunstbühne ab und machten somit Platz für neue unvoreingenommene Gesichter. Andere fanden trotz der durchaus positiven Veränderung immer noch genügend Mißstände, um ihre Systemkritik in ungewohnt scharfem Ton an den Mann zu bringen. Der Bogen spannte sich nun von den rockmusikalischen und äußerst zeitkritischen Darbietungen der "Schmetterlinge" über das neugegründete Kabarett-Ensemble "Keif" bis zu den erstmals boomenden Solokabarettisten wie Otto Grünmandl und Erwin Steinhauer, um nur zwei zu nennen.

5.1 Die "Schmetterlinge"

Die "Schmetterlinge" gehörten zweifellos zu der oben erwähnten zweiten Gruppe, welche die Zu-stände in der Gesellschaft keineswegs als zufriedenstellend betrachtete. Kein Wunder, war die eigentlich schon 1969 aus der Taufe gehobene Politband doch einwandfrei ein Kind der Revolution, das in der Stunde des Protestes auf die Welt gekommen war.

Der ursprünglich als herkömmliche Rock- und Folkloreband gegründeten Gruppe gehörten die Musiker

- Beatrix Neundlinger (Gesang, Quer- und Blockflöte)

- Erich Meixner (Baß, Akkordeon, Saxophon, Klavier, Gesang)

- Georg Herrnstadt (Klavier, Orgel und Gesang)

- Willi Resetarits (Schlagzeug, Percussion, Mundharmonika, Gesang)

- Herbert Trampier (akustische und E-Gitarre, Mandoline, Baß, Gesang)

- sowie der als Manager und Berater tätige Günter Grosslercher an.

Bis zum Jahre 1974 konzentrierte sich die in Wien entstandene Band vorwiegend auf unpolitische Lieder, bevor sie 1975 mit dem Lyriker Heinz Rudolf Unger in Kontakt trat und ihre erste Langspielplatte "Lieder fürs Leben" herausbrachte. Ungers engagierte Texte verhalfen der mittlerweile zur bedeutendsten Politband im deutschsprachigen Raum aufgestiegenen Gruppe zu ungeahnten Erfolgen, unter anderem 1976 bei den Wiener Festwochen, als sie ihr zweites, von Unger verfaßtes Programm "Proletenpassion" uraufführten und damit sowohl beim Publikum als auch in der Presse eine ungeheuer positive Resonanz auslösten.

Nach einer kurzen Tournee durch die BRD wurden die "Schmetterlinge" auch in der deutschen Jugend- und Studentenszene bekannt und feierten dort keine geringeren Erfolge als in Österreich.



- Heinz Rudolf Unger

Geboren am 7. 8. 1938 in Wien.

Lyriker, Dramatiker und Kinderbuchautor. Arbeitete bis 1968 auch als Schriftsetzer, Werbetexter, Verlagshersteller und Journalist. Autor der von den "Schmetterlingen" 1976 erstmals aufgeführten "Proletenpassion". Sein bekanntestes Theaterstück "Zwölfeläuten" erschien 1987 in der Trilogie "Republik des Vergessens".
Weitere Werke: Kinderbücher: Die Fliege am Broadway, 1989; Flügel hat mein Schaukelpferd, 1991; Florentin Flunker im Maskenland, 1994. Weiters Gedichtbände und Dramen.

Abb.26.1.
Heinz R. Unger 1990

Die Jahre darauf folgten die Programme "Herbstreise - Lieder zur Lage der Nation" (1979), "Verdrängte Jahre" (1981) und "Die letzte Welt" (1982, eine Produktion im Auftrag des >Jungen Forums< der Ruhrfestspiele), die allesamt auf LP erschienen sind. Aber nicht alle Reaktionen auf die melodiös verpackte Zeitkritik der "Schmetterlinge" waren positiv:

Im Jahr 1977 stießen sie bei einer Maiveranstaltung des Berliner DGB auf heftige politische Kritik und waren auch kurz darauf als Vertreter Österreichs beim >Grand Prix Eurovision de la Chanson< in London alles andere als unumstritten.

Wiederholte Male kam es zu Zerwürfnissen mit der deutschen Schallplattenindustrie, weshalb die "Schmetterlinge" ihre Platten kurzerhand unter ihrem eigenen Label >Antagon< weiterhin mit großem Erfolg vertrieben25.

 

Mitte der achtziger Jahre löste sich die Gruppe auf. Im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern der Band setzte Willi Resetarits seine Musikerkarriere unter dem Pseudonym "Ostbahn Kurti" mit seiner Band "Die Chefpartie" fort und etablierte sich mit seinen heute nicht mehr wegzudenkenden Liedern im Wiener Dialekt in der österreichischen Austropop-Szene.

 

 

 

5.2. Die Solokabarettisten

Aber die Verdienste der "Schmetterlinge" beschränken sich nicht nur auf ihre eigenen musikalischen Erfolge. Ihnen verdankt die österreichische Kleinkunstszene der Gegenwart einen der größten Kabarettisten überhaupt: mit ihren Auftritten finanzierte die erfolgreiche Band Willi Resetarits' jüngerem Bruder Lukas die sonst zu teure Schauspielausbildung und bescherten dem österreichischen Kabarett damit eines der größten Talente, dessen Ruhm mittlerweile bis über die Grenzen unseres Landes hinausreicht und ohne den der Ruf der österreichischen Exekutive wohl noch um einiges besser wäre, denn "Kottan ermittelt" hat sicher nicht unbedingt dazu beigetragen, das Image unserer Ordnungshüter entscheidend zu verbessern.

- Lukas Resetarits (eigent. Erich Lukas Resetarits)

Lukas Resetarits wurde am 14. 10. 1947 in Stinatz im Burgenland geboren. 1951 übersiedelte die Familie nach Wien-Favoriten, wo er 1965 maturierte und Philosophie und Psychologie studierte. Nebenbei trat er als Rocksänger auf, schlug sich als Bauhilfsarbeiter und Gammler durch. Ab 1974 schrieb er Texte, Conférencen und Gags für diverse Shows der "Schmetterlinge". Ein Jahr später trat er in die 1974 gegründete Kabarettgruppe "Keif", bestehend aus Wolfgang Teuschl, Erwin Steinhauer, Alfred Rubatschek und Erich Demmer, ein und textete gemeinsam mit Teuschl drei Produktionen. 1976 gab er seine Stelle als Traffic Officer (Flugzeugabfertiger) am Flughafen Schwechat auf, um als Schauspieler bei der von den Schmetterlingen im Rahmen der Wiener Festwochen aufgeführten "Proletenpassion" mitzuwirken. 1977 rief er gemeinsam mit Teuschl und Steinhauer das TV-Kabarett "Tu felix Austria" ins Leben, verfaßte den Text für den Eurovisionssong der "Schmetterlinge" - 'Boom Boom Boomerang' und präsentierte im Oktober sein 1. Soloprogramm "Rechts Mitte Links" im Konzerthauskeller. Es folgten weitere TV-Kabaretts in Zusammenarbeit mit Teuschl und Steinhauer, mehrere Hauptrollen in TV-Spielfilmen sowie die Soloprogramme "A Krise muass her" (1978), "Haben Sie schon gewählt?" und ''Alles leiwaund" (beide 1979). Im Jahr 1980 traten die "Schmetterlinge" erneut im Rahmen der Wiener Festwochen auf, diesmal mit ihrer Textcollage "Verdrängte Jahre", bei der Resetarits sowohl als Drehbuchautor als auch als Schauspieler mitwirkte. Große Popularität erreichte er, als er im Oktober 1980 die Hauptrolle in Helmut Zenkers Fernsehserie "Kottan ermittelt" übernahm26. Sein 5. Soloprogramm "Nur kane Wellen" folgte im März 1981. Im selben Jahr gewann Resetarits außerdem den "österreichischen Kleinkunstpreis 1981" und wurde von Helmut Zilk mit dem "Johann Nestroy-Ring der Stadt Wien 1981" ausgezeichnet. In den folgenden Jahren brachte Resetarits eine Reihe von Soloprogrammen heraus, u.a. "Ka Zukunft" (1982), "Vorläufig ohne Titel" (1983), "I oder I" (1985) für das er mit dem "Deutschen Kleinkunstpreis 1985" ausgezeichnet wurde, "Das 10. Programm" (1986), "Ich bin so frei" (1990) und "Alles zurück" (1995). Daneben wirkte er in etlichen TV-Produktionen (Hauptrolle in "Freispiel", "Qualtingers Wien") als Schauspieler mit. Im April 1997 bracht er sein 17. (!!) Soloprogramm "Kein Grund zum Feiern" heraus und wurde mit der "Romy für den besten Schauspieler" ausgezeichnet. Letztes Jahr verlieh ihm das Nürnberger Burgtheater den Deutschen Kabarettpreis 1998 (Hauptpreis), gestiftet von der Stadt Nürnberg. Zuletzt war Resetarits in Roland Düringers Programmverfilmung "Hinterholz 8" in den österreichischen Kinos zu sehen.

Lukas Resetarits fällt somit genau in jenen Zeitraum hinein, in dem allgemein ein Trend zum Solokabarett, sozusagen eine Gegenbewegung zur traditionellen Doppelconférence, wie sie schon von Farkas-Waldbrunn und Qualtinger-Bronner praktiziert wurde, wahrnehmbar ist. Zwar ist mit der Gründung des Kabarettensembles "Keif" immer noch ein gewisser Hang zur Gruppenbildung erkennbar, aber auch diese Formation hielt nicht lange und löste sich bald in ihre einzelnen Mitglieder auf.

- Erwin Steinhauer

Eines dieser Mitglieder war der Schauspieler und Kabarettist Erwin Steinhauer. Geboren am 19. 9. 1951 studierte er Geschichte und Germanistik, brach seine Studien aber dann kurz vor Ende ab. 1974 gründete er zusammen mit Erich Demmer die Kabarettgruppe "Keif", war eine Zeit lang sogar im Simpl sowie am Düsseldorfer Kommödchen, wo er bei Lore Lorentz den Schauspielberuf von der Pike auf erlernte. 1980 kehrte Steinhauer nach Wien zurück und spielte unter der Leitung von Stella Kadmon und Emmy Werner im Theater der Courage. Ein Jahr später präsentierte er sein erstes Soloprogramm "Entlassen" in der "Kulisse" in Wien. Es folgten Jahre am Burgtheater und am "Theater in der Josefstadt" sowie die Kabarettprogramme "Kopf hoch", "Café Plem-Plem", "Ganz im Ernst", "Alles Walzer", "Auf der Schaufel" und "Lese nota bene". 1995 spielte er bei den Salzburger Festspielen die Rolle des Mammon in "Jedermann". Daneben wirkte Steinhauer in zahlreichen TV-Produktionen u.a. in der Serie "Der Salzbaron" und in diversen "Tatort"-Krimis mit.

- Andreas Vitasek

Ein weiterer Kabarettist der neuen Generation ist der am 1. 5. 1956 in Wien geborene Kabarettist, Schauspieler und Regisseur Andreas Vitasek. Nach der Matura studierte er zwischen 1974 und 1978 Germanistik und Theaterwissenschaften und nahm die darauffolgenden zwei Jahre Schauspielunterricht bei Jaques Lecoq in Paris. Im Jahr 1981 brachte er sein erstes Soloprogramm "Spastik Slapstick" heraus, danach folgten "Die sieben Lehren des Max Kurz" (1983), "Fahrt ins Blaue" (1984), "Andere Umstände" (1986), "Bilanz" und "Kurzzugende". Nebenbei wirkte er in den drei Niki List Filmen "Malaria", "Müllers Büro" und "Helden in Tirol" mit und trat in zahlreichen Rundfunk- und Fernsehsendungen auf. Andreas Vitasek wurde 1984 mit dem "Österreichischen Kleinkunstförderpreis" und 1986 mit dem "->Salzburger Stier" ausgezeichnet.


- Hans-Peter Heinzl und Peter Orthofer

Obwohl eigentlich alle beide eine eigenständige Karriere als Kabarettist begonnen haben, ihnen aber erst gemeinsam der endgültige Durchbruch gelang, möchte ich mir erlauben, Hans-Peter Heinzl und Peter Orthofer zusammenzufassen und hier ihren gemeinsamen Lebenslauf nachzuzeichnen. Peter Orthofer wurde am 17. 6. 1940 Berlin geboren. Schon in den 60-er Jahren war Orthofer für das Grazer Kabarettensemble "Der Würfel", das damals noch im "Neuen Theater am Kärntnertor" spielte, als Autor von Satiren und Parodien (z.B. "Die Arche Nowak", Herbst 1963) tätig, später schrieb er hauptsächlich für Rundfunk und Fernsehen.

Hans-Peter Heinzl wurde am 1. 2. 1942 in Wien geboren, studierte Musik und war zunächst als Industriekaufmann tätig. 1977 wurde er vom ORF-Landesstudio OÖ für die Fernsehsendung "Achtung Stufe" als Unterhalter entdeckt. Der endgültige Durchbruch als Kabarettist gelang ihm aber erst 1982 gemeinsam mit Peter Orthofer, der ihm ab dieser Zeit die Programme schrieb. Hohen Bekanntheitsgrad erreichte Hans-Peter Heinzl aber vor allem durch seine regelmäßige Fernsehtätigkeit (z.B. "Zeit am Spieß" im ORF). 1984 eröffnete Heinzl in Wien das "K & K-Theater am Naschmarkt", in dem er mit seinen eigenen Programmen auftrat, aber das er auch als Spielstätte für andere Kabarettisten zur Verfügung stellte. Bis jetzt war der Senkrechtstarter Heinzl von vielen seiner Kabarettkollegen nicht ganz ernstgenommen worden, aber als der große Qualtinger ihm die Ehre erwies und seine letzten Auftritte im K & K-Theater absolvierte, wurde Heinzl auch von den letzten Skeptikern akzeptiert - doch leider zu spät. Der Kabarettist, dem sich endlich alle Träume erfüllt zu haben schienen, litt an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Ärzte gaben ihm drei bis sechs Monate, aber Heinzl gab nicht auf, probierte jede Heilmethode aus, brachte 11 Chemotherapien hinter sich - es half alles nichts mehr. Er starb am 2. September 1996 in der Wiener Privatklinik in der Pelikangasse. Erschöpft von einem vier Jahre andauernden Kampf gegen den Krebs und verbittert darüber, von den meisten seiner Freunde im Stich gelassen worden zu sein. Den Freunden aber, die bis zu seinem Ende zu ihm standen wie Erwin Steinhauer, wird er für immer in Erinnerung bleiben.

- Otto Grünmandl

Otto Grünmandl wurde ausnamsweise nicht in Wien, sondern am 4. Mai 1924 in Hall in Tirol geboren. Zwischen 1945 und 1947 studierte er an der technischen Universität in Graz und war danach bis 1965 als Textilkaufmann tätig. Danach beschäftigte er sich als freier Schriftsteller und wurde vor allem als Autor von Hörspielen ("Salzwege", "Divertimento für 5 Bankbeamte und 1 Kutscher", u.v.m.) und humoristischen Büchen ("Meinungsforschung im Gebirge") bekannt. Von 1972 bis 1981 leitete er die Unterhaltungssparte im ORF-Landesstudio Tirol. Seit 1981 ist er nur noch als Kabarettist tätig. Sein erstes Soloprogramm "Alpenländische Interviews" (mit Theo Peer) präsentierte er allerdings schon im Jahr 1973. Es folgten die Programme "Der Einmann-Stammtisch" (1974), "Ich heiße nicht Oblomov" (1979), "Ich bin ein wilder Papagei" (1982) und "Ich komme aus der Wirtschaft (1984). 1993 spielte er zusammen mit Georg Kreisler und seinem Ensemble in Tirol das Kabarettstück "Tirili". Otto Grünmandl wurde 1970 mit dem Österreichischen Staatspreis für Hörspiele und 1978 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet.

Doch Otto Grünmandl sollte nicht der einzige Kabarettist aus der "Provinz" bleiben. Anstelle der abstrakten, politischen Thematik stellten die Kabarettisten der beginnenden Achtziger Jahre zum ersten Mal den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Programme - und Menschen gibt es ja bekanntlich nicht nur in Wien. Mit diesem neuen Humanismus im Kabarett konnte man österreichweit etwas anfangen, ein regelrechter Kabarettboom setzte Anfang der Achtziger Jahre ein. Neue Spielstätten wie die "Kulisse", das "Niedermair" oder das "Spektakel" schossen aus dem Boden, und erstmals wurden die Bühnenbretter nicht mehr ausschließlich von Wienern bespielt.

- Josef Hader

Josef Hader wurde am 18. Februar 1962 in Waldhausen in NÖ geboren und besuchte die bischöfliche Knabenschule des Klosters in Melk. Bereits während seiner Schulzeit wirkte Hader am dortigen Stiftsgymnasium in der schuleigenen Theater- und Kabarettgruppe mit, obwohl sich der Bauernsohn aus dem Waldviertel zu dieser Zeit noch ohne weiteres ein Leben als Pfarrer vorstellen konnte. Schließlich studierte er nach der Matura dann doch nicht Theologie, sondern einige Semester Lehramtsstudium Geschichte und Germanistik in Wien, bevor er 1985 das Studium nach dem Besuch einiger Schulklassen abbrach. Bereits 1981 gründete er die Kabarettgruppe "Die Heiterdenker". In den folgenden Jahren spielte er dann allerdings ausschließlich seine politisch-satirischen Solo-programme "Musik gegen Noten" (1982), "Fort Geschritten" (1984 in der Wiener Fußgängerzone), "Der Witzableiter und das Feuer" (1985 mit Otto Lechner am Klavier), "Im milden Westen" (1986), "Tausche Witze gegen Geld" (1987), "Biagn oder Brechn" (1988), "Bunter Abend" (1990), das vom sprachlichen Aufbau als offener Dialog (siehe Teil II) dem legendären "Herrn Karl " sehr ähnliche Programm "Im Keller" (1992), sowie "Privat" (1994). 1991 verfaßte er gemeinsam mit Alfred Dorfer das satirische Theaterstück "Indien", das 1993 mit Hader in der Hauptrolle verfilmt und zu einem Kassenschlager in den heimischen Kinos wurde. Josef Hader wurde 1985 mit dem "->Salzburger Stier" und 1990 mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet.

 

6. Von 1991 bis ???

Bereits seit den Siebziger Jahren war der Trend zum Solokabarett kaum mehr zu übersehen gewesen, doch konnten sich auch Single-Pioniere wie Erwin Steinhauer und Lukas Resetarits in ihren Anfangstagen noch nicht dazu aufraffen, einen wichtigen, fast schon zur Institution gewordenen Bestandteil des Bühnenensembles zu entfernen: den nahezu obligaten Pianisten.

Junge, aufstrebende Künstler der neuen Generation wie Andreas Vitasek oder Josef Hader waren es, die es erstmals wagten, sich über dieses ungeschriebene Gesetz im Kabarett hinwegzusetzen und den nächsten Schritt zur völligen Isolation auf der Bühne zu tun. Ende der Achtziger Jahre war das Kabarett somit fast ausnahmslos zu einem Einzelbewerb geworden.

Was also war zu tun für die vielzitierte "Generation X", die Kinder der Neunziger ? Eine weitere Reduktion war nicht mehr möglich, denn noch weniger auf der Bühne als ein Kabarettist ohne jegliche Requisiten und Instrumente, nur noch ausgerüstet mit der Sprache und der Macht seiner Worte, hätte schon allein der Definition des Kabaretts als eine Gattung der darstellenden Kunst widersprochen, ganz zu Schweigen von der praktischen Undurchführbarkeit, ein amüsantes, zeitkritisch-glossierendes Nichts auf der Bühne zu präsentieren.

Weniger konnte es also nicht mehr werden, im althergebrachten Single-Stil fortzufahren und so ins neue Jahrtausend zu schreiten, wäre zwar durchaus denkbar gewesen, hätte aber zweifelsohne dem intellektuellen Innovationsgeist des homo sapiens widerstrebt. Der Schrei nach Veränderung lag also wieder einmal in der Luft, und doch war die neue Generation anscheinend zu sehr mit dem hämmern am "Wiener Kleinkunstnagel" beschäftigt, um ihn zu hören. Angespornt vom augenscheinlich auch finanziellen Erfolg bewährter Kleinkunstgrößen wie Vitasek & Konsorten wimmelte es auf den neueröffneten Kellerbühnen geradezu von dramaturgischen Minimalisten, die vielleicht dazu in der Lage waren, gegen Ende des Jahrtausend eine Art gesellschaftskritischer fin-de-siècle-Stimmung heraufzubeschwören, aber ganz sicher nicht dazu, ihr Publikum zu unterhalten. Zwei von den ganz großen, Alfred Dorfer und Josef Hader nämlich, waren es, die mit "Indien" und ihrem beispiellosen Erfolg 1991 bewiesen, daß es halt doch zu zweit am besten geht - und brachen somit den Bann. Seit nunmehr über fünf Jahren kann es also nur noch heißen: Vorhang auf, für die neugegründeten Duos unseres Jahrzehnts!

6.1. Schöller & Bacher

Eines dieser neugegründeten Zweigespanne (und der Szenekenner spricht es nicht ohne Stolz aus!) kommt aus Steyr, was somit wieder einmal beweist, daß Kabarett und Kleinkunst nicht mehr länger ein Privileg der Wiener Region sind - auch wenn man fairerweise dazusagen sollte, daß die aus Wolfern stammenden und in Steyr zur Schule gegangenen Senkrechtstarter erst mit dem Studium in Wien ihre Karriere begannen. Nach dem Besuch ihrer ersten Kabarettvorstellung überhaupt (J. Hader im Wiener Audi Max), beschlossen die beiden durch jahrelange Bühnenerfahrungen mit ihrer Band "Vollkorn plus" bereits routinierten Studenten, (näheres dazu siehe Interview mit s&b im Anhang, Frage: Wart ihr nervös?, Antwort: Ja, voi.) es einfach einmal selbst mit Kabarett zu versuchen. Alles weitere ist Geschichte, und kann dem Interview im Anhang entnommen werden. Nur eines sei dem Leser, da aus dem Interview nicht ersichtlich, noch verraten: mit einem Minimum an Dramaturgie gleichen die Brüder ihr doppeltes Vorhandensein auf der Bühne locker wieder aus und strafen somit die Verfasserin des obigen Plädoyers für mehr Action auf den Kleinkunstbühnen der '90-er Jahre Lügen. "Wir können net gut Gitarre spielen, net gut singen und net gut schauspielern - das schränkt das Ganze ziemlich ein."27 wie Karli Schöllerbacher selbst zugibt. Sei's drum, Erfolg haben sie trotzdem und als DJ's im Steyrer Kulturzentrum Röd@ sind sie allemal unschlagbar! (die Verfasserin spricht diesbezüglich aus Erfahrung.) Wen wundert es da, daß die beiden Brüder erst vor kurzem mit ihrem 2. Programm "lernen" im Wiener "Kabarett Niedermair" erfolgreich Premiere feierten.

 

 6.2. "KABUD"

Kabud ist die Abkürzung für Otmar Kastner und Peter Buda,28 einen 30jährigen Oberösterreicher und einen 28jährigen Tiroler, die sich in Wien auf der Wirtschaftsuni kennenlernten und beschlossen, einen Schauspielkurs zu belegen. Gemeinsam traten die beiden also zur Aufnahmsprüfung an - und fielen ebenso gemeinsam auch durch. Trotzdem ließen sich die beiden Neokabarettisten von dieser ersten Niederlage nicht abschrecken, studierten einige Nummern ein, standen im Frühjahr 1997 beim Kabarettwettbewerb "Gmundner Schwan" erstmals auf der Bühne - und gewannen prompt. Ermutigt durch diesen Erfolg meldeten sich die Zwei für den im Oktober statt-findenden "Wiener Kleinkunstnagel" an und belegten hinter Schöller&-Bacher den bemerkenswerten zweiten Rang. Viel wichtiger als die gute Wertung der Juroren schien den beiden aber das Lob des im Publikum anwesenden Josef Hader. Beeindruckt von der Kreativität der zwei unerschrockenen Newcomer lud er sie ein, während der Laufzeit seines Programms "Hader spielt Hader" im Vindobona eine Nummer aus ihrem noch nicht ganz fertigen Debütprogramm als Pausenfüller zum Besten zu geben. Das ließen sich Kabud natürlich nicht zweimal sagen und sammelten in diesen zwei Wochen erste, wertvolle Bühnenerfahrungen. Wie für die meisten Kabarettisten der Neunziger Jahre ist Hader ihr großes Vorbild. Trotzdem betonen auch Kabud immer wieder, daß sie wenig Lust haben, als eine billig abgekupferte Doppelausgabe ihres Idols zu gelten. Wenn die beiden eine neue Nummer einstudieren, hängt im Proberaum ein Plakat, auf dem in großen Lettern prangt: HADERN VERBOTEN! Und auch in ihrem ersten abendfüllenden Programm "Wer bastelt mit?" lassen die beiden keinen Zweifel an ihrer Eigenständigkeit aufkommen und deklarieren in einer äußerst dramatischen Nummer gleich zu Beginn des Programms unmißverständlich ihre Unabhängigkeit: mitten in einem Solo erleidet Otmar Kastner auf der Bühne einen Nervenzusammenbruch, analysiert mit seinem Partner zusammen ein letztes Mal sämtliche Hader-Videos genau, verzweifelt dabei und verspeist am Ende seine Lieblings-CD "Privat". Danach beschließen die Beiden, fortan als Duo aufzutreten, um von vornherein jegliche Hader-Imitationsbestrebungen zu unterbinden. Als Josef Hader im Publikum saß, "da hat die Nummer mit dem Hader-CD-Essen noch einmal so viel Spaß gemacht"29 erklärten die beiden grinsend nach der Vorstellung. Aber Kabud haben nicht nur Spaß, sie haben auch Erfolg. 1998 gewann das Duo den "Grazer Kleinkunstvogel", den steirischen "Kleinkunstpanther" (Publikumspreis), den "Freistädter Frischling" und den Freistädter Publikumspreis.

Um jetzt nicht den Eindruck entstehen zu lassen, die heimische Kabarettszene bestehe gegenwärtig nur aus Duetten, sollte man besser erwähnen, das auch auf dem Gebiet der Solokabarettisten einiges an Nachwuchs auf uns zukommt.

Ob Alf Poier, der äußerst exzentrische "->Salzburger Stier '98"-Gewinner aus der Steiermark, Martin Puntigam, der Grazer Kabarettist mit dem wohlklingenden Namen oder Olivier Lendl, der Wiener Schauspieler, der einer der vehementesten Vetreter der guten Unterhaltung ohne politischen Hintergrund nach Vorbild der amerikanischen Comedy ist - die österreichische Kleinkunstszene ist vielfältig wie eh und je.

6.3. Alf Poier

Alf Poier30 wurde am 22. Februar 1967 in der Steiermark geboren und ist derzeit wohl der schrägste "Kleinkunstvogel" Österreichs. Wie immer die literaturwissenschaftliche Definition von Kabarett auch heißen mag, Alf Poier orientiert sich in der Praxis einzig und allein an einem einzigen Grundsatz: im Kabarett ist alles erlaubt! So steht er beispielsweise, seine dürftige Mähne schwingend, breitbeinig und mit E-Gitarre auf der Bühne und schmettert die "Ballade vom traurigen Gartenzwerg", er entwickelt eine für seinen farbenblinden Cousin unlesbare Color-Geheimschrift (Bo = BROT), porträtiert auf einer Schiefertafel einen "Selbstmörder der auf seinen Täter wartet" und reicht einen billigen Pappbecher im Publikum herum, mit der Bitte, man möge doch ein paar Pulloverfuzerl als Füllung für seinen Kopfpolster entbehren. (" I schreib mein Nom drauf, fois no a Zweita sommelt ! ")

Für sein Debütprogramm "Himmel, Arsch und Gartenzwerg" wurde der 31jährige heuer, also genau ein Jahr nach seinem Vorgänger Martin Puntigam aus Graz, mit dem "->Salzburger Stier" ausgezeichnet und setzte somit die Siegesserie der Steirer Kabarettisten fort.

Wo immer er auftaucht, hat der ehemalige Langstreckenläufer die Lacher auf seiner Seite und begeistert seine Fans mit einer skurrilen Mischung aus musikalisch, phonetisch und visuell dargebrachten Absurditäten. Dabei war es nicht immer gewiß, ob Alf Poiers Karriere einmal einen guten Ausgang nehmen würde. Der knapp über 30jährige blickt auf einen äußerst turbulenten Lebenslauf zurück. Nach zwei Wochen als Billa-Filialleiter, einem Monat als Güterwaggonausräumer, zwei Wochen Chemotechnik-College, 1 1/2 Jahren Pädak Graz und gleichzeitigem Schlagzeug-Studium am Konservatorium, einem Posten als Tourmanager für Unique 2, verschiedenen Engagements als Drummer bei Tanz- und Hardrockbands, einiger Zeit als Rußputzer für eine Brandschadensanierungsfirma, Antiquitätenmesse-Aufbauer, Regalschlichter, Grundstücksorganisator für McDonalds, Eintipper von Polizzennummern bei diversen Versicherungsgesellschaften, ca. 15 weiteren ebenso interessanten Bürojobs und noch etlichen ähnlich exotischen Posten, trat Alf Poier 1995 in Graz zum ersten Mal als Kabarettist auf. Noch im selben Jahr gewann er auf der Wiener Donauinsel einen Kleinkunstpreis und erhielt von EMI einen Plattenvertrag. Der Durchbruch gelang ihm 1996 mit seinem Programm "Himmel, Arsch und Gartenzwerg", für das er 1998 mit dem "->Salzburger Stier " ausgezeichnet wurde. Sein 2. Programm "Zen" hat am 25. Jänner 1999 in der Wiener Kulisse Premiere. Wir dürfen mit Recht gespannt sein, denn nicht umsonst wird Alf Poier in der Szene als >Risikokabarettist für Kleinkunst-Extremisten< gehandelt.


Anscheinend hat der in den Achtziger Jahren begonnene Kabarettboom seinen Zenit noch immer nicht erreicht. Immer mehr junge Österreicher wagen sich an die kleine Kunst der großen Unterhaltung und die Kabarettpreise, vergeben an den oder die besten Nachwuchskabarettisten eines Jahres, werden immer mehr. Doch die kleinen, und daher auch für Anfänger erschwinglichen Veranstaltungsorte sind zwar hoffnungslos ausgebucht, aber dennoch defizitär, und die renommierten Bühnen hätten lieber zugkräftige Kabarettgrößen, die die Kasse klingeln lassen.

"Man schickt ein Videoband, ruft an, soll nächste Woche wieder anrufen - und irgendwann verliert man einfach die Lust."31 zieht Olivier Lendl ein ernüchterndes Resümee seiner Bemühungen um die Premiere seines Programms "Endlich O. Lendl" im Herbst 1995.

Der Markt ist übersättigt, zu viele erstürmen die Bretteln, die die Welt bedeuten, und wie sonst im Leben wird auch im Kabarett der Qualität der Vorzug gegenüber der Quantität gegeben. Stirbt das Kabarett also kurz vor seinem hundertsten Geburtstag ? Oder wird es zu Beginn des 21sten Jahrhunderts gar nicht mehr gebraucht ?

 

Nun, gebraucht, im Sinne eines zum Überleben notwendigen Grundbedürfnisses, wird Kabarett als eine Form von Kunst sicher nicht und wurde es nie. Aber geben, und davon bin ich überzeugt, wird es Kabarett oder etwas Vergleichbares immer, denn ist der Mensch einmal in den Genuß eines Platzes innerhalb der Gesellschaft gekommen, an dem weitgehend unzensuriert und von Klagen unbeeinflußt beinah alles gesagt werden darf, wird er nicht mehr darauf verzichten wollen. Nicht umsonst ist in sämtlichen diktatorischen Regimes dieser Welt die Kultur- und Medienszene eine der am stärksten kontrolliertesten und mitunter auch manipuliertesten; nicht umsonst ließ Hitler Bücher auf der Straße verbrennen und Künstler in Konzentrationslagern foltern; und warum, wenn nicht für Ideale wie Freiheit und Demokratie, riskierten etliche Kabarettisten am Wiener Werkel während der NS-Zeit ihr Leben um ihre versteckt-satirische Kritik am ach so, gehaßten Führer zu üben. Die Rolle des politischen Kabaretts als ständiger Unruhestifter und Revolutionär ist seit dem "Lieben Augustin" klar definiert und nicht mehr wegzudenken aus unserem Land. Aber auch das Kabarett im unpolitischen Sinn ist letzten Endes wieder eine Form von Zeitkritik und damit auch Politik. Kabarett ist Opposition. "Kabarett ist szenische Darstellung von Satire. Satire ist die artistische Ausformung von Kritik" (Werner Schneyder 1978). "Kabarett muß nicht sein." (Peter Wehle). "Kabarett ist Notwehr, Kabarett ist Mini-Widerstand. Kabarett gedeiht in schlechten Zeiten, die aber nicht ganz schlecht sein dürfen. Wohlstand gibt für das Kabarett nichts her, denn er bezieht die Kabarettisten ein. Der Protestsänger im Mercedes ist ein linker Peter Alexander." (Hans Weigel 1981 in: Gerichtstag vor 49 Leuten). "Kabarett ist Spiel mit dem erworbenen Wissenszusammenhang des Publikums" (Jürgen Henningsen in: Theorie des Kabaretts, 1967). "Kabarett is et Leben" (Antwort einer alten Kölnerin).32

Kabarett ist eine Kunst !

Eine Kunst, die aus dem erwächst, was sie eigentlich verhindern möchte: den politischen und sozialen Mißstand; und letztendlich eine Kunst, die danach trachtet, sich selbst überflüssig zu machen und somit abzuschaffen. Eine stetig vor sich hinschwelende Glut der Revolution, allerdings nicht dazu im Stande - wir haben es in den 60-er Jahren gesehen - vom Kabarettkeller aus die Welt aus ihren Angeln zu heben und Wesentliches zu verändern. Und genau darin liegt die Überlebensgarantie des Kabaretts, genau darum wird es von manchen geliebt, von einigen gehaßt, aber schlußendlich geduldet. Als eine unangenehme Nebenerscheinung der Demokratie für die einen und als ein unablässiger Garant derselben für die anderen.



Literaturverzeichnis:

(1) Vgl. Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996

(2) Ebd., Die Besetzung des "Lieben Augustin" 1931 in "Die Geburt des Schlagers".

(3) Hakel, H. (Hsg.): Wigl Wogl. Kabarett und Varieté in Wien. Forum Verlag Wien, 1962.

(4) Ebd.

(5) Ebd.

(6) vgl. Ö-Lexikon (AEIOU); Weys, R.: Cabaret und Kabarett in Wien, 1970 und vgl. Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

(7) vgl. Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

(8) Hakel, H. (Hsg.): Wigl Wogl. Kabarett und Varieté in Wien. Forum Verlag Wien, 1962.

(9) Martini, Louise: Ein o für Louise - Wien in den 50er Jahren. Deutike, 1998.

(10) Ebd.

(11) Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

(12) Martini, Louise: Ein o für Louise - Wien in den 50er Jahren. Deutike, 1998, S.82.

(13) Ebd.

(14) Hakel, H. (Hsg.): Wigl Wogl. Kabarett und Varieté in Wien. Forum Verlag Wien, 1962.

(15) Martini, Louise, A.a.O. S.76.

(16) Martini, Louise: Ein o für Louise - Wien in den 50er Jahren. Deutike, 1998, S.64.

(17) Martini, Louise: Ein o für Louise - Wien in den 50er Jahren. Deutike, 1998, S.9.

(18) A.a.O. S.8.

(19) A.a.O. S.86.

(20) Ö-Lexikon (AEIOU), http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.

(21) Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

(22) Krischke, Traugott (Hrsg.): Der Herr Karl ( von Qualtinger/Merz), Deutike, 1996, S.60.

(23) Kühn, Volker (Hrsg.): Kleinkunststücke 4. Kabarett in Restdeutschland, Quadriga, 1993.

(24) Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

(25) Aus: Ö-Lexikon (AEIOU), http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.

(26) Kabarett in Wien, http://diddl.tuwien.ac.at/~palmtree/kabarett/.

(27) Die Presse, 19.07.1997, Ressort: Spectrum.

(28) Kabarett in Wien, http://diddl.tuwien.ac.at/~palmtree/kabarett/.

(29) Falter 11/98, Seite 17.

(30) Kulissezeitung Juni/September '98, S.2.

(31) Die Presse, 19.07.1997, Ressort: Spectrum.

(32) Zitate aus: Budzinski K., Hippen R.: Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

 

Inhalt Teil II: Poetik des Kabaretts

 

1. Präzisierte Definition von Kabarett

2. Die Nummer

3. Das Konzept der Fiktionskulisse

4. Defiktionalisierung durch Publikumsanrede

4.1 Publikumsanrede im Bühnendialog

4.2 Publikumsanrede im offenen Dialog mit verdecktem Partner

4.3 Publikumsanrede im offenen Dialog mit fingiertem Partner

4.4 Der Monolog

4.5 Publikumsdialog mit dem Kollektiv

4.6 Publikumsdialog mit dem Einzelzuschauer

4.7 Die Conférence

 

 

Teil II: Poetik des Kabaretts

1. Präzisierte Definition von Kabarett

 

Wie bereits angekündigt, soll sich dieser Teil der Arbeit mit der Poetik, also den sprachwissenschaftlichen Besonderheiten des Kabaretts, und vor allem mit der schon zu Beginn erwähnten Definition von Kabarett befassen, die da lautet:

 

 

Kabarett ist:

    (1) eine simultan rezipierte Gattung der darstellenden Kunst, organisiert als

    (2) Abfolge von Nummern (von durchschnittlich weniger als 15 Minuten Dauer), die in ihrer Gesamtheit

(3.a) zeitkritisch oder auch

(3.b) komisch sind und

(4) aus Conférencen und mindestens zwei der sieben szenischen Modi bestehen:

(A) Einzelvortrag

(B) Chanson

(C) Zwiegespräch

(D) Duett

(E) Mehrgespräch

(F) Gruppenlied

(G) Textloses Spiel.

Im Hinblick auf die logische Struktur des Explikats handelt es sich bei den Definitionsmerk-

malen (1) und (2) um notwendige Merkmale, beim (alternativen) Merkmal (3a)/(3b) hat zu-

mindest eine der beiden Varianten (oder aber beide) zuzutreffen, und bei den alternativen

Merkmalen (4A) bis (4G) erstreckt sich die Wahlfreiheit auf sieben szenische Modi, von

welchen mindestens zwei erfüllt sein müssen.1

 

 

Nur mit Mühe ein geflügeltes österreichisches Wort unterdrückend ( wahlweise <Eh kloa!> oder <Na, no-na net!> ) lassen wir uns diesen Satz auf der Zunge zergehen und wenden unsere ungeteilte Aufmerksamkeit alsbald der genaueren Erklärung desselben zu, welche in gekürzter, vor allem aber etwas verständlicherer Form ich versuchen werde, hier zu formulieren, um etwas Licht in die bis dato noch in tiefschwarzer Nacht dahindämmernden Windungen des Lesergehirns zu bringen.

Etwas einfacher ausgedrückt ist Kabarett nichts anderes als eine Abfolge von Nummern, die jeweils nicht länger als 15 Minuten sein dürfen und welche aus mindestens zwei der oben angeführten sieben Punkte (A) bis (G) bestehen müssen. Wie genau eine sogenannte Nummer beschaffen sein muß, um als solche zu gelten, werde ich im nächsten Kapitel genauer erklären. Daß diese Nummern entweder einen zeitkritischen oder komischen Charakter (meist sogar beides) aufweisen müssen, ergibt sich meiner Meinung nach bei Benutzung des gesunden Hausverstandes von selbst und wird auch von jedem Besucher einer Kabarettvorstellung erwartet. Daß es weiters von Mensch zu Mensch verschieden ist, was als "komisch", also lustig, empfunden wird, bedarf, so glaube ich, auch keiner weiteren Ausführungen und ist durch die oben angeführten "geflügelten Wörter" bereits abgedeckt. Was sich der Leser unter einer "simultan rezipierten Gattung der darstellenden Kunst" vorstellen muß, verlangt vielleicht doch nach einer genaueren Erklärung meinerseits:

"Simultan rezipiert" bedeutet nichts anderes, als daß Kabarett immer vor einem Publikum stattzufinden hat, und zwar vor einem anwesenden.Was fürs erste vielleicht etwas paradox klingen mag, entbehrt bei näherer Betrachtung nicht einer gewissen Logik:

Kabarett ist wie keine andere Gattung der darstellenden Kunst auf den Kontakt zwischen Publikum und Darsteller angewiesen, da "im Kabarett Äußerungen gang und gäbe sind, die nur in Bezug auf die Aufführungssituation (zeitlich und räumlich) Sinn machen."2.Der Kabarettist bezieht sich in seinen Programmen also auf das anwesende Publikum oder den Aufführungsort, er benötigt für seine Pointen eine "zur Produktion simultane Rezeption"3. Eine mediale Distanz bei der Übermittlung von Kabarett (zB. Bei Rundfunk- oder Fernsehübertragungen) ändert zwar in den meisten Fällen nichts daran, daß das Publikum die Sendung immer noch als Kabarett empfindet, streng genommen ist ein aufgezeichnetes und später im Fernsehen ausgestrahltes Programm allerdings kein Kabarett mehr, sondern "die Rezeption dokumentierten Kabaretts."4. Daß einem dieser Unterschied normalerweise nicht bewußt wird, liegt daran, daß sich die Rezeptionssituation von der Situation der Kabarettaufführung so gut wie gar nicht unterscheidet. Kurz gesagt:

Ob Familie Y. aus Wien in der "Kulisse" sitzt und Josef Hader von dort aus gedanklich in den Keller folgt, oder ob sie das zu Hause vor dem Fernseher sitzend tut, hat keine nennenswerten Auswirkungen auf die Amüsanz des Programms, weil Familie Y. (1) weiß, daß ein Publikum im Saal anwesend ist und zudem über genug Phantasie verfügt, sich die Aufführungssituation vorzustellen und (2) Familie Y. sich zeitlich sehr nahe am Aufführungszeitpunkt befindet und daher im Programm eventuell vorkommende bzw. parodierte Persönlichkeiten kennt.

Ein praktisches Beispiel für die Notwendigkeit simultaner Rezeption im Kabarett ist folgendes:

Alfred Dorfer bedankt sich am Ende seiner Kabarettvorstellungen im Wiener Audi Max fürs Zuhören, "weil das ja in diesen Räumen nicht selbstverständlich ist ". Ohne das Wissen, woher dieses Programm gesendet wird, kann die im Wohnzimmer sitzende Familie Y. die Pointe nicht nachvollziehen. Die simultane Rezeption kann also unter bestimmten Umständen eine Voraussetzung dafür sein, ein Kabarettprogramm zu verstehen und ist deshalb ein integraler Bestandteil der Definition.

 

2. Die Nummer

Wer schon jemals mit Kabarett auch nur im Entferntesten zu tun hatte, wird mit Sicherheit schon mehr als einmal auf den Ausdruck "Nummer " gestoßen sein, ist es doch ein Begriff, der meist im selben Atemzug mit dem Wort "Kabarett" genannt wird. Auch wenn den meisten Lesern der Begriff als eine Bezeichnung für einen Teil eines Kabarettprogrammes mehr als geläufig sein wird, so möchte ich es doch nicht verabsäumen, zu definieren, was eine "Nummer" im literaturwissenschaftlichen Sinn ausmacht und wodurch sie charakterisiert wird. Gleich vorab sei wiederum anzumerken, daß es, wie das bei jeder Definition der Fall ist, sicher einige Ausnahmen oder zumindest Grenzfälle geben wird, welche uns aber nicht weiter kümmern sollen, sondern im Gegenteil, gemäß dem allseits bekannten Sprichwort, die Regel bestätigen sollen.

Ein solcher Grenzfall wäre zum Beispiel das schon im ersten Teil behandelte ->Mittelstück, das mit seinen 30 bis 40 Minuten Länge die eben in der Kabarettdefinition erwähnten 15 Minuten deutlich überschreitet und zumindest in diesem Punkt dem Theater doch wesentlich näher steht, als dem Kabarett.

Abgesehen von solchen Ausnahmeerscheinungen läßt sich eine herkömmliche "Nummer" sehr leicht als "kleinste sinnvoll verschiebbare Einheit (innerhalb eines Programms)"5 definieren. Eine "Nummer" ist somit also "ein innerhalb des Programmes relativ frei verschiebbares Element, bei dessen Permutation der Gesamtsinn des Programms erhalten bleibt"6. Dennoch gibt es natürlich einige sogenannte "Ecknummern"7, die ihren festen Platz im Programm haben und daher nicht nach Belieben hin- und hergeschoben werden können. Als Beispiele für solche Ecknummern seien Nummern genannt, deren Funktion entweder die Begrüßung oder Verabschiedung des Publikums ist oder im Laufe derer dem Publikum eine neue Figur zum ersten Mal vorgestellt wird.

Darüber hinaus kann auch nicht jede andere Nummer, die keine Ecknummer ist, zur Gänze verschoben werden. Die Gründe dafür liegen in der Unterteilung der Nummer in "Stammteil und Bindeteil"8. Diese Unterteilung bezieht sich auf die Funktion, welche den einzelnen Teilen einer Nummer zugeordnet wird. Wie schon der Name sagt, fällt den Bindeteilen die Aufgabe zu, zwei Nummern miteinander zu verbinden, um somit den Übergang von einem Thema zum nächsten so fließend wie möglich zu gestalten. Gemäß dieser Unterscheidung kann man folglich drei Arten von Nummern differenzieren:

  1. Nummern, die lediglich aus einem Stammteil bestehen,
  2. Nummern, die aus einem Stamm- und einem Bindeteil bestehen und
  3. Conférence-Nummern, die einzig aus einem Bindeteil geformt sind. Sie haben offensichtlich conférierende Funktion, sind aber innerhalb eines Programms frei verschiebbar und beanspruchen deshalb den Status von Nummern.
Aus: Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse. Poetik und Geschichte des Kabaretts, Schöningh, 1993, S.38.


3. Das Konzept der Fiktionskulisse

Bereits ganz zu Beginn dieses zweiten Teils haben wir Kabarett als eine "Gattung der darstellenden Kunst" definiert. Was aber ist nun jene Eigenschaft, die aus Kabarett eine solche spezielle Gattung macht und es somit vom Theater unterscheidet? Einen meiner Meinung nach sehr einleuchtenden Vorschlag zur Klärung dieser Frage, sofern mir diese Beurteilung zusteht, hat Benedikt Vogel mit dem Konzept der "Fiktionskulisse"9 (welche der Dissertation ja auch den Titel leiht) anzubieten. Zugegebenermaßen ist es auch der einzige Vorschlag, auf den ich während meiner Recherchen für diese Arbeit gestoßen bin und ich war daher gezwungen, all meine Informationen aus diesem Buch zu beziehen, ohne sie vorher einer genaueren Überprüfung durch weitere Literatur unterziehen zu können. Abgesehen davon, daß die Auswahl an literaturwissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Kabarett in Österreich nicht gerade sehr üppig ist, hätte eine derartige Überprüfung den Rahmen einer Fachbereichsarbeit sowohl in zeitlicher als auch platzmäßiger Hinsicht bei weitem gesprengt.

Zum Konzept der Fiktionskulisse ist zu sagen, daß es wesentlich einfacher und durchschaubarer ist, als es der kompliziert klingende Name zuerst vermuten läßt. Im Gegensatz zum Theater, dessen Ziel es ist, dem Rezipienten auf der Bühne eine fiktive, aber so real wie möglich wirkende Handlung zu präsentieren, begnügt sich das Kabarett mit dem Aufbau einer sogenannten "Fiktionskulisse", die bei näherem Hinsehen sehr rasch als solche enttarnt werden kann und oft sogar bewußt wieder zerstört wird. Anders ausgedrückt versucht das Kabarett erst gar nicht, dem Zuschauer eine (scheinbar) echte Welt auf der Bühne vorzugaukeln, sondern akzeptiert den Umstand seiner Gebundenheit an den Aufführungsort und setzt ihn als Stilmittel bewußt ein. Daraus resultiert wiederum die bereits im Kap.1 erwähnte Forderung nach einer "simultanen Rezeption" des Kabaretts, da manche Pointen nur im Bezug zum Afführungsort Sinn machen. Um dieses nur im Kabarett vorkommende und daher einmalige Phänomen noch verständlicher zu machen, möchte ich nun den selben Beispieltext anführen, den Benedikt Vogel in seiner Dissertation zu eben diesem Zweck verwendete. Noch dazu, als er mir von der Thematik her gerade für uns Österreicher und noch dazu 60 Jahre nach dem Einmarsch Hitlers umso passender erscheint, auch wenn der Autor zwar kein geringerer als Erich Kästner persönlich, aber eben doch kein österreichischer Schriftsteller ist. Trotzdem glaube ich, dem Leser vorab einige historischen Informationen geben zu müssen, die für das Verständnis des Textes unerläßlich sind.

Versetzen wir uns also zurück in das Jahr 1946 und nehmen die Rolle einer Kabarettzuschauerin oder eines Kabarettzuschauers in der "Schaubude" in München ein. Ein knappes Jahr nach Kriegsende sehen wir auf der Bühne drei volkstümlich gekleidete Männer in Lederhosen, die "alle drei einen Oberlippenbart tragen, der fatal an einen anderen geborenen Österreicher erinnert"10, wie sich der Schweizer Autor, wie immer, sehr "neutral" ausdrückt, und welche, sobald sie die Bühne betreten haben, folgendes zu singen beginnen:


"Oh, du mein Österreich!"(nach der Melodie des gleichnamigen Marsches von Franz v. Suppé)

I.

Wir sind die Ostmärker, pardon die Österreicher.

Meine Verehrung, Herr Baron!

Wir schicken's heim jetzt, die reichsdeutschen Landstreicher.

Wir sind a siegreiche Nation.

Sie dürfen net glauben, was in der Zeitung sie lesen.

Küss die Hände, gnädige Frau!

Die blaue Donau ist niemals nicht braun gewesen!

Die blaue Donau war stets blau.

Wir sagten uns am Anfang gleich:

"Dem Falott gehen wir nicht auf den Leim!"

Wir wollten niemals heim ins Reich,

sonder höchstens reich ins Heim.

Wenn's auch manchmal anders schien,

wir war'n immer gegen ihn!

Die Preussen strich er alle braun.

Doch bei uns hat er gar nichts erreicht!

Den Fehler, einem von uns zu trau'n, den begeh…

(ängstlich): Pg?

Pg?

… den begehn wir nicht so leicht!

Hoch vom Dachstein bis nach Wien: -driodldidljoh!

Wir war'n immer gegen ihn!

Was hat uns der Märchenerzähler

Aus Braunau nicht alles erzählt!

Wir machten nur einen Fehler:

Wir haben ihn wieder gewählt.

Doch wir war'n kein entscheidender Faktor.

Es war mehr ein kleiner Scherz.

Die Hauptsache ist der Charakter

und das goldene Wiener Herz!

II.

Ja, ja wir Ostmärker, pardon wir Österreicher.

Bon soir, mon Colonel!

Wir führen Walzer aus, - nie wieder Anstreicher!

Wir wirken nur noch kulturell!

Die Nibelungentreue, die ist ein sakrisches Erbe.

Servus Peperl, mein reizendes Kind!

Wir sind ein Bergvolk mit viel Hotelgewerbe.

In unseren Alpen gibt’s ka Sünd.

Und weil wir wieder Frieden ham,

seids willkommen in unserer Pension!

Good evening, sir! Bon soir, madame!

Meine Hochachtung, Herr Baron!

Innsbruck, Salzburg, St. Johann,

Die Saison fängt wieder an!

Der Schnee erglänzt. Die Seen sind naß.

Kommt's zu uns, wann's euch immer behagt!

Für Reisende mit deutschem Pass is es a…

(ängstlich): SA?

SA?

…ist es aber untersagt!

Unser Kanzler hat's befohl'n: - driodldidljoh!

Deutschland darf sich nicht erhol'n!

Es fallen nun wieder die Schranken.

Die Schrammeln sind auch schon bestellt.

Willkommen die Dollars und Franken

Und die Pfunde der besseren Welt!

Zwar das Geld ist ein wichtiger Faktor,

wenn das Herzerl zuvor nicht sprach.

Die Hauptsache ist der Charakter,

und den macht man uns nicht nach!11


Der historisch gut informierte Zuschauer wird unschwer erkennen, daß Erich Kästner mit diesem Gruppenlied auf die umstrittene Äußerung des österreichischen Bundeskanzlers Leopold Figl anspielte, man wolle mit den Deutschen nichts mehr zu tun haben. Bei genauerer Betrachtung des Textes stellt man allerdings fest, daß sich die einzelnen Teile des Liedes nicht zu einem Bild zusammenfügen lassen, man wird sozusagen einige "Löcher in der Fiktionskulisse" entdecken.

Vor uns stehen drei Personen, die vorgeben, in ganz Österreich (Innsbruck, Salzburg, St. Johann) zu Hause zu sein und die offensichtlich eine gemeinsame Pension mit Gästen aus allen Gesellschaftsschichten (wie aus ihren fingierten Anreden hervorgeht!) führen, die paradoxerweise aber in verschiedenen Ortschaften liegt.

Zudem stellen sie sich nicht einfach als Ostmärker, (pardon Österreicher!) vor, sondern schlichtweg als d i e Österreicher, sie geben also vor, g a n z Österreich zu sein. Da es nun aber nicht anzunehmen ist, daß auf der Bühne drei offensichtlich verwirrte, arme Irre stehen, die sich für ganz Österreich halten, sondern drei ernstzunehmende Darsteller, die eine Botschaft übermitteln wollen, muß diese "Lüge" einem anderen Zweck dienen.

Die Kabarettisten und mehr noch der Autor Erich Kästner behaupten mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, daß alle, oder zumindest die meisten der Österreicher, so denken wie diese drei fiktiven Figuren auf der Bühne. Um das zu verdeutlichen, verteilen sie deren Wohnorte über ganz Österreich, was zwar der Botschaftsübermittlung zu gute kommt, andererseits aber, weil nicht realistisch, die vorher durch die vorgetäuschte Authentizität der Kostüme mühsam aufgebaute Fiktionskulisse bewußt wieder zerstört.

All diese Elemente, die sich so gar nicht in ein einheitliches Bild fügen, offensichtlich nicht zusammenpassen oder gänzlich unrealistisch sind, werden vom Kabarettisten also bewußt eingesetzt, um den Aufbau einer geschlossenen Fiktion wie beim Theater zu verhindern. Man nennt diese Elemente daher auch "d e f i k t i o n a l i s i e r e n d e"12 Elemente. Sie reißen den Zuschauer aus einer vorher vom Kabarettisten eventuell aufgebauten Scheinwelt und zwingen ihn, sich daran zu erinnern, wo er sich befindet: in einem Kabarettlokal.

 

4. Defiktionalisierung durch Publikumsanrede

 

Ein weiteres Mittel, um den Aufbau einer geschlossenen Fiktion zu verhindern, ist die sogenannte Publikumsanrede, oder auch Publikumsdialog genannt. Wie schon der Name vermuten läßt, geht es darum, daß der Kabarettist sich direkt an die Zuschauer wendet und sie dadurch in sein Programm miteinbezieht.

Zuerst muß einmal festgestellt werden, ob überhaupt ein Dialog vorliegt, bevor man entscheidet, ob es sich um einen Publikumsdialog handelt oder nicht. Voraussetzung dafür ist wiederum eine genaue Definition dessen, was man als Dialog bezeichnet.

"Dialog" heiße fortan:

jedes Gespräch eines Sprechers mit einem nicht mit sich selbst identischen [also keine Doppelbesetzung; das wäre ein "innerer Dialog"!] anwesenden oder vom Sprecher anwesend gedachten Sprechpartner.13


Weiters unterscheiden wir drei Arten von Dialogen:

- den Bühnendialog: der Sprechpartner ist auf der Bühne präsent

- den offenen Dialog: der Sprechpartner wird im Off fingiert

- den Publikumsdialog: Publikum wirkt als Dialogpartner (erfordert Bühnennähe).14

Theoretisch kann der Kabarettist jede dieser drei Dialogformen so gestalten, daß sich das Publikum miteinbezogen fühlt. Allerdings sind der Publikumsanrede im Bühnendialog von vornherein Grenzen gesetzt, während sie im Publikumsdialog die eigentliche Hauptrolle spielt. Grundsätzlich gilt aber folgender einfacher Merksatz: Je höher der Kabarettist den Grad der Publikumszuwendung wählt, desto größer ist auch die defiktionalisierende Wirkung. Die Fiktionalität sinkt also mit steigender Publikumsanrede. Zur besseren Veranschaulichung habe ich die drei möglichen Dialogarten samt ihrem dazugehörigen Fiktionalitätsgrad in einem Diagramm dargestellt:

Je nachdem ob der Kabarettist seine Zuschauer mehr oder weniger direkt ansprechen will, wählt er seine Dialogform (siehe Unterkapiteln 4.1 bis 4.7) und die dazugehörige defiktionalisierende Wirkung.

Bei den meisten Kabarettprogrammen auffallend, ist die Tendenz zu verstärkter Publikumszuwendung gegen Ende einer Nummer oder gegen Ende des Programms. Je weiter der Abend fortschreitet, desto mehr bezieht der Künstler also sein Publikum mit ein. Wie schon bei der vorher postulierten "simultanen Rezeption" angedeutet, erhöht sich die Publikumsanrede außerdem automatisch, wenn der Kabarettist spontan auf sich im Saal abspielende Vorgänge reagiert (z.B. Handyläuten).

 

 

4.1 Publikumsanrede im Bühnendialog

 

Diese erste Möglichkeit der Kabarettisten, auf der Bühne zu agieren, ist zweifellos diejenige mit der geringsten Publikumszuwendung und steht damit dem Theater am nächsten.

Ein Bühnendialog zeichnet sich dadurch aus, daß der Dialogpartner des Sprechers auf der Bühne präsent ist. Es müssen sich also mindestens zwei für die Zuschauer sichtbare Darsteller auf der Bühner befinden.

Auch wenn es dem Laien zunächst unmöglich erscheinen mag, das Publikum überhaupt in irgendeiner Form in einen Dialog, den Kabarettisten unter sich auf der Bühne führen, einzubinden, so gibt es doch gewisse "Tricks", die das bis zu einem gewissen Grad möglich machen.

Gemäß der oberen Abbildung müssen die Bühnensprecher die Fiktionalität des Dialoges herabsetzen, um das Publikum stärker einzubinden. Die Kabarettisten bringen den Dialog auf der Bühne also in einer Form dar, wie er im alltäglichen Leben niemals ablaufen würde und verhindern so bewußt den Aufbau einer geschlossenen Fiktion.

Wenn wir von einem ganz normalen Gespräch zweier Personen ausgehen, so können die Kabarettisten den Dialog defiktionalisieren, indem der erste Bühnensprecher zuerst fertigspricht, bevor der zweite ihm erwidert. Der Dialogpartner auf der Bühne erscheint dann weniger real, als wenn er seinem Gegenüber sofort antworten oder gar das Wort abschneiden würde (wie das zweifellos in einem Alltagsgespräch der Fall wäre! ) und die Zuschauer fühlen sich dadurch stärker angesprochen.

 

ALLTAGSGESPRÄCH:

A: ---------------------------------------------------------------------------------

B: ---------------------------------------------------------------------------------

A: ---------------------------------------------------------------------------------

B: ---------------------------------------------------------------------------------

A: -----------------------------------------

B: -----------------------------------------

A: ---------------------------------------------------------------------------------

BÜHNENDIALOG:

A: ---------------------------------------------------------------------------------

B: ---------------------------------------------------------------------------------

 

 

4.2 Publikumsanrede im offenen Dialog mit verdecktem Partner

Der nächste Schritt, um die Publikumsanrede weiter zu erhöhen, ist der offene Dialog, bei dem der Gesprächspartner des Bühnensprechers nicht mehr auf der Bühne präsent, also für die Zuschauer unsichtbar, ist.

Hier gibt es wiederum zwei Möglichkeiten, von denen die erste, der offene Dialog mit verdecktem Partner, in diesem Kapitel behandelt werden soll.

Der grundsätzlich Unterschied zum Bühnendialog besteht darin, daß der oder die Dialogpartner nicht mehr sichtbar auf der Bühne agieren und Antwort geben, sondern vom Bühnensprecher nur noch vorgetäuscht werden, und zwar verdeckt. Der Kabarettist unterhält sich also mit einer fiktiven Person, die sich offensichtlich im selben Raum befindet, für die Zuschauer aber von irgendwelchen Gegenständen (z.B. einem Kasten) verdeckt wird. Dennoch geht aus den Gesten des Sprechers auf der Bühne eindeutig hervor, wo im Raum sich der Betreffende befindet.

Das wohl berühmteste Beispiel für einen offenen Dialog mit verdecktem Partner ist ohne Zweifel Merz' und Qualtingers "Herr Karl". Hier befindet sich der vorgetäuschte Gesprächspartner, wie aus den fiktiven Anreden hervorgeht ein "junger Mann", direkt in der Kamera. Qualtinger wendet sich also mit seinen Anreden direkt an das Fernsehpublikum selbst und bindet die Zuschauer somit stärker in das Geschehen ein. Hier also ist "das akustische und visuelle Verdecktsein [des Gesprächpartners] motiviert"15, damit sich die Zuschauer stärker mit dem Angesprochenen identifizieren. Daß diese Form des offenen Dialoges auf der Bühne genauso gut einsetzbar und effektiv ist, wie vor der Fensehkamera, bewies Jahrzehnte später Josef Hader ebenso bravourös wie amüsant mit seinem Soloprogramm "Im Keller" und der Figur des "Meisters" als verdecktem Dialogpartner.

 

4.3 Publikumsanrede im offenen Dialog mit fingiertem Partner

Diese bereits im letzten Kapitel erwähnte zweite Art des offenen Dialoges unterscheidet sich nur unwesentlich vom offenen Dialog mit verdecktem Partner.

Der einzige Unterschied besteht darin, daß der Gesprächspartner des Bühnensprechers nicht mehr auf der Bühne vorgetäuscht wird, sonder nur noch irgendwo im Saal anwesend gedacht wird. Es gibt also kein geschlossenes Kommunikationssystem mehr auf der Bühne, sondern die Äußerungen des Kabarettisten wenden sich mehr und mehr auch an das Publikum.

Beispiele für solche im Saal fingierten Dialogpartner wären etwa die im Kap. 3 im Text von Erich Kästner durch Anreden charakterisierten Pensionsgäste wie die "gnädige Frau" oder der "verehrte Herr Baron". Damit diese Äußerungen der Bühnensprecher den gewünschten publikums-ansprechenden Effekt erzielen, müssen sie natürlich in Richtung der Zuschauer gesprochen und mit entsprechenden Gesten versehen werden.

Auffallend bei Publikumsanreden bzw. offenen Dialogen mit fingiertem Partner ist, daß sie "finalisierende Tendenz"16 haben, also eher gegen Ende des Programms oder gegen Ende der Nummer vermehrt auftreten.

 

4.4 Der Monolog

Ein weiterer Schritt, um die Publikumzuwendung noch mehr zu erhöhen, ist das gänzliche Ablegen jeglicher Rollen des Kabarettisten.

Im Monolog tritt der Künstler den Zuschauern nicht mehr als Darsteller einer bestimmten, meist klischierten, Figur gegenüber, die ihm der Rahmen einer Nummer auferlegt, sondern er übernimmt vor dem Publikum die Funktion eines neutralen Erzählers. Da sich kein wie auch immer gearteter Gesprächspartner mehr nachweisen läßt, fühlt der Zuschauer sich automatisch angesprochen.

In den Bereich des Monologs fallen beispielsweise sämtliche auf der Bühne dargebrachten Chansons, in denen keine fiktionsauf- oder -abbauenden Elemente enthalten sind. (z.B. "Topfpflanzen" von Josef Hader).

 

4.5 Publikumsdialog mit dem Kollektiv

Auf dieser fünften Stufe des Zuschauereinschlusses läßt sich nun die Publikumsanrede zum ersten Mal explizit nachweisen.

Der Kabarettist wendet sich also, zumeist durch Fragen, direkt an die Rezipienten im Saal. Meist tut er das wieder gegen Ende einer Nummer, wobei es durchaus vorkommen kann, daß der Kabarettist aus seiner von ihm für die Dauer einer Nummer angenommenen Rolle schlüpft, um sich, wieder in der Erzählfunktion, mit Fragen wie " Was, so frag ich euch, soll er nun tun ?" direkt an das Publikum zu wenden.

Publikumsdialoge mit dem Kollektiv eignen sich besonders, um spontan auf im Saal vorfallende Dinge zu reagieren. Meistens hängen diese Kommentare des Kabarettisten davon ab, ob und wieviel die Leute lachen, ob sie zu spät lachen, ...etc.

Ein Beispiel für einen solchen reaktioansabhängigen Publikumsdialog wäre folgendes:

Dorfer: "Und er [der Astrologe] rechnet und rechnet und macht immer "uii!" und "euu!" und ich denk mir: hey, was weiß er von mir? Kennt er vielleicht meine geheimsten Plaisierchen? Zum Beispiel, daß ich, wenn ich auf ein Fest gehe, und ich hab schon ein bißchen was getrunken, und die Chips sind aus, daß ich heimlich von den Hydrokulturkügelchen nasche? "

(Leute lachen)

Dorfer: "Ich sehe, Sie kennen das!"17

Dorfers eindeutig an das Publikum adressierte Äußerung "Ich sehe, Sie kennen das!" ist eine spontane Reaktion des Kabarettisten auf ungewöhnlich großen Erfolg einer Pointe beim Publikum. Hält sich die Heiterkeit der Zuschauer an dieser Stelle in Grenzen, würde diese Bemerkung, sollte sie trotzdem fallen, sicher nicht den gleichen Effekt (weiteres Lachen des Publikums) erzielen.

 

 

4.6 Publikumsdialog mit dem Einzelzuschauer

Als Gegenpol zum Bühnendialog, wo die Publikumsanrede gar nicht, oder wenn, dann nur sehr ansatzweise vorkommt, ist der Publikumsdialog mit dem Einzelzuschauer diejenige Dialogform, bei der das Publikum am stärksten miteinbezogen wird.

Bereits im ->Textsubstrat nach Publikumsdialogen mit dem Einzelzuschauer zu suchen, wird in den meisten Fällen nicht sehr erfogreich sein, da der Kabarettist hier noch stärker als bei dem vorhin behandelten Publikumsdialog mit dem Kollektiv von der jeweiligen Aufführungssituation abhängig und daher zu spontanen Reaktionen gezwungen ist. Trotzdem gibt es Fälle des Dialogs mit einem einzelnen Zuschauer, die bereits in der schriftlichen Grundlage eines Programms vorgesehen sein können, da es auf die Umstände der Aufführung gar nicht ankommt.

Ein Beispiel für einen solchen Fall wäre die Szene zu Beginn von Josef Haders Programm "Privat", in welcher der aus Waldhausen stammende Kabarettist mit einem (angeblich) im Publikum anwesenden Ortskundigen aus der näheren Umgebung zu diskutieren beginnt, ob man besser bei Ybbs oder Amstetten von der Autobahn abfahre, um dann über Nöchling nach Waldhausen zu gelangen. Josef Hader kann diesen Publikumsdialog bedenkenlos schon vorher im Textsubstrat festlegen, da keine bestimmten Bedingungen zutreffen müssen, um ihn durchführen zu können. Denn selbst wenn der angesprochene Zuschauer seinen Wohnsitz im tiefsten Vorarlberg und daher keine Ahnung haben sollte, wo sich Amstetten und Ybbs, geschweige denn Nöchling und Waldhausen befinden, so würde er niemals auf den Gedanken kommen, den Kabarettisten über diesen Umstand aufzuklären.

Dies liegt vor allem daran, daß bei Publikumsdialogen mit dem Einzelzuschauer zumeist ein "Autoritätsgefälle zu ungunsten des Zuschauers"18 vorliegt. Anders ausgedrückt genießt der Kabarettist durch seinen Status als Bühnensprecher bestimmte Privilegien und darf in seiner Rolle als Künstler Bemerkungen bzw. sogar Unwahrheiten über einen Zuschauer verbreiten, ohne daß dieser ihn zurechtweist oder widerspricht.

 

4.7 Die Conférence

Anders als bei den bisherigen Formen der Publikumsanrede, die durchaus auch im Rahmen einer Nummer, in der der Kabarettist eine bestimmte Rolle übernimmt, vorkommen können, tritt der Bühnensprecher bei der Conférence in seiner Rolle als 'Kabarettist mit eigener Identität', oder höchstens mit einer 'gespielten' eigenen Identität (siehe "Privat" von Josef Hader z.Bsp.) auf.

Die Conférence gilt deshalb auch als die konsequenteste Form des Publikumsdialoges und wird von Vogel wie folgt definiert:

'Conférence' heisse innerhalb eines Kabarettprogramms jede nichtfiktionale, als Publikumsdialog gesprochene (…) Äußerung [des Kabarettisten] mit der Funktion der Begrüßung / Verabschiedung des Publikums oder auch des Kommentars zu einer Nummer oder auch der Person eines Vortragskünstlers. Eine Conférence wird jeweils von höchstens zwei Personen (Conférenciers) vorgetragen, die im Programm mehrmals in dieser Rolle auftreten.19

Wird eine Conférence von zwei Bühnensprechern vorgetragen, so nennt man sie Doppelconférence. (z.B. Farkas und Waldbrunn).

Anders als beim Theater wird im Kabarett also der Bühnendialog des Schauspiels durch eine Stufenfolge verstärkter Publikumsanrede ersetzt, die in ihrer konsequentesten Form, der Conférence, mündet.

Fassen wir also am Schluß dieses umfangreichen und für das Kabarett so wichtigen Kapitels zusammen:

Die Publikumsanrede wird umso größer, je "abwesender" und schwerer vorstellbar der Dialogpartner des Kabarettisten auf der Bühne wird, bis hin zum Monolog, wo der Gesprächspartner auf der Bühne gänzlich fehlt und der Kabarettist die Funktion eines neutralen Erzählers übernimmt. Die Publikumsanrede wird weiter erhöht, wenn sich der Kabarettist direkt an das anwesende Publikum (Publikumsdialog mit dem Kollektiv) oder gar an einzelne Zuschauer (Publikumsdialog mit dem Einzelzuschauer) wendet.

Den Abschluß dieser Stufenfolge bildet die Conférence, in der sich der Kabarettist ohne jegliche Rolle, die ihm der Rahmen einer Nummer auferlegt, gänzlich seinen Zuschauern widmet.



Literaturverzeichnis:

(1) Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse. Poetik und Geschichte des Kabaretts, Schöningh, 1993, S.46.

(2) A.a.O. S.34.

(3) Ebd.

(4) A.a.O. S.35.

(5) A.a.O. S.35.

(6) Ebd.

(7) Ebd.

(8) A.a.O. S.38.

(9) Vgl. Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse.A.a.O. S.77.

(10) Vgl. Vogel, Benedikt: A.a.O. S.65.

(11) A.a.O. S.63-64.

(12) A.a.O. S.77.

(13) Vgl. Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse.A.a.O. S.99.

(14) Vgl.Ebd.

(15) Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse.A.a.O. S.104.

(16) Ebd.

(17) Alfred Dorfer: "Esoterik" aus dem Programm "Badeschluss".

(18) Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse.A.a.O. S.109.

(19) Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse.A.a.O. S.110.

 

Inhalt Teil III: Alfred Dorfer

1. Warum Alfred Dorfer ?

2. Ausbildung & Werdegang

3. Schlabarett

3.1 "Atompilz von Links"

3.2 "Sein und Schwein"

4. "Alles Gute"

5. Hinwendung zu den Medien

5.1 "Indien"

5.2 "Muttertag"

5.3 "Freispiel"

5.4 "MA 2412"

6. "Ohne Netz"

7. "Badeschluß"

 

Teil III: Alfred Dorfer

 

1. Warum Alfred Dorfer ?

 Wer den ersten Teil dieser Arbeit über die Geschichte des österreichischen Kabaretts aufmerksam gelesen hat, dem wird aufgefallen sein, daß einige der gegenwärtig bekanntesten Kabarettisten, wie etwa Alfred Dorfer, wohl teilweise erwähnt wurden, nicht aber so ausführlich wie man es sich wahrscheinlich erwartet hätte, behandelt worden sind. Tatsächlich hat das nichts mit einer geringeren Wertschätzung dieser Kabarettisten meinerseits etwas zu tun. Ganz im Gegenteil, halte ich es doch für angebracht, Alfred Dorfer sogar einen eigenen Teil zu widmen.

Alfred DorferDas libro-Journal schreibt: Alfred Dorfer wurde am 11. Oktober 1961 um 15:03 Uhr geboren und lebt seitdem - mittlerweile samt Frau, Kind und Kegel - in Wien. Auf ein beinahe abgeschlossenes Studium in Theaterwissenschaften und Germanistik und ein abgeschlossenes Schauspielstudium ergab es sich ganz zufällig, wie das halt so ist, Kabarettist zu werden und Dorfer gründete mit einigen Kollegen das "Schlabarett". Seinen letzten Erfolg feierte er im Kino mit der Komödie "Freispiel". Ende Februar 1998 hatte sein neues, insgesamt drittes Soloprogramm "Badeschluß" in Wien Premiere. Paralell dazu erschien sein Video "Alles Gute", eine Aufzeichnung seines zweiten Programmes.

PS: Sein besonderes Charisma sei es, meint Alfred Dorfer, daß Aufnahmegeräte in seiner Gegenwart meist nicht funktionieren. Unseres hat ! (Siehe 1, Interview mit Alfred Dorfer, libro-journal, März 1996).

Abb.51.1: Alfred Dorfer


Und meines auch ! (Siehe Anhang, Interview mit Alfred Dorfer).


Die Gründe dafür liegen nicht allein in meiner grenzenlosen Bewunderung für diesen, meiner Meinung nach scharfzüngigsten und vielseitig begabtesten Kabarettisten, den Österreich im Moment besitzt, sondern auch der Gedanke, den vorangegangenen, eher trockenen, literatur-wissenschaftlichen Teil dem germanistischen Anti-Fan anhand eines praktischen Beispiels noch einmal etwas näher zu bringen, fügte sich doch sehr gut in mein dieser Arbeit zugrundegelegtes Konzept. Um ganz ehrlich zu sein, bin auch ich, nach all der geistigen Anstrengung und Selbstüberwindung, die ich mir abverlangte, um mich sogar während der Sommerferien (!!) durch 150 Seiten von Benedikt Vogels Dissertation zu kämpfen, eher ein Anhänger des Kabaretts selbst, und nicht seines sprachwissenschaftlichen Hintergrundes geblieben. Andererseits muß ich auch zugeben, daß mich sehr wohl der Ehrgeiz gepackt hatte, aus diesem intellektuellen Buchstabengewirr etwas über den sprachlichen Aufbau eines Kabarettprogrammes herauszulesen und mir somit meinen im letzten Jahr schon fast zur Obsession ausgearteten Faible für Kabarett wissenschaftlich zu erklären. Genau dieser Ehrgeiz war es auch, der mich bereits in der 7. Klasse einen tollkühnen Plan fassen ließ: Ein Interview mußte her ! Wie, das war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar, aber irgendwie würde es schon gehen. Es ging dann schlußendlich ja auch, aber fragen Sie nicht, wie ! Das Ergebnis dieser "glorreichen" halben Stunde ist im Anhang zu bewundern. Nie werde ich die peinlichen zehn Minuten vergessen, während derer ich, bewaffnet mit meinem erst im Zug nach Wien verfaßten Konzept, einem Kassettenrecorder und ca. 3 kg Reservebatterien in der Tasche, gemeinsam mit meiner Schwester und meiner Cousine vor der Garderobentür in der "Kulisse" stand und darauf wartete, daß es endlich 19 Uhr wurde. Nie werde ich vergessen, wie Günther Paal, überrascht, ob des ihm sich bietenden Anblicks holder Weiblichkeit, die ihm schüchtern den Weg zu seiner Garderobe verstellte, resigniert den Weg ins Beisl antrat, um sich, so nehme ich jedenfalls an, noch ein letztes Bier vor der Vorstellung zu genehmigen. Und wahrscheinlich werde ich auch nie das Interview selbst vergessen, geführt mit vor Aufregung bebender Stimme und voll infantilem Idealismus, doch journalistisch mehr als schlecht, wie ich mir nach gut einem halben Jahr selbst eingestehen muß. Trotzdem bin ich auch jetzt noch stolz auf dieses Gespräch, denn welche 17-jährige hat schon einmal ihr Idol vor dem Mikrofon gehabt. Daß dieses Interview schlußendlich doch ein ganz lesenswerter Bestandteil dieser Arbeit geworden ist, liegt an Alfred Dorfers jahrelanger Erfahrung im Umgang mit Medien und seinem schon im Vorwort erwähnten, kooperativen Verhalten. Und wenn er schon dieses Interview möglich gemacht hat, so sollte doch auch ein eigener Dorfer-Teil erlaubt sein.

 

2. Ausbildung und Werdegang

Alfred Dorfer wurde am 11. Oktober 1961 in Wien geboren und war schon während seiner Schulzeit nicht unbedingt auf den Mund gefallen. "Ich war immer der Klassensprecher. Der Klassensprecher und der Kabarettist haben ja sehr viel gemeinsam. Weil beide für jemanden aufstehen und sich für eine bestimmte Gruppe zu sprechen trauen1." Wie man sieht, waren die Weichen also schon früh gestellt. Trotzdem wandte sich der junge Dorfer nach der Matura nicht sofort den Bühnenbrettern zu, sondern verbrachte erst einmal zwei Jahre an der Wiener Universität mit seinem Studium der Germanistik und der Theaterwissenschaften. Wie sich aber auch an der Wahl der Fächer nicht unschwer erkennen läßt, ließ Dorfer der Traum, ans Theater zu gehen, nie ganz los. Er brach sein Studium ab (bis heute fehlen immer noch 4 Prüfungen zum Doktorat!) und widmete sich statt dessen einer umfassenden Schauspielausbildung mit den Lehrern Seeböck, Schwarz, Seeliger, Pillmann, Ganser, Tötschinger (Körpertheatertechniken) und Molcho (Pantomime). Im Zuge seines (übrigens abgeschlossenen!) Schauspielstudiums lernte Dorfer außerdem den durch gemeinsame Motocross Partien mit Herwig Seeböck befreundeten Roland Düringer kennen, der für seine spätere Kabaretttätigkeit noch maßgeblich werden sollte.

1983 schließlich gab Alfred Dorfer am "Theater in der Josefstadt" mit "Christinas Heimreise" sein Bühnendebüt, ein fixer Posten an einem Theater war allerdings nicht in Sicht. Deshalb beschloß Dorfer, mehr als Notlösung, die Zeit bis zu einem Engagement mit Kabarett zu überbrücken. Gemeinsam mit Roland Düringer, Andrea Händler und Reinhard Nowak gründete er die Kabaretttheatergruppe "Schlabarett", die 1984 ihr erstes Programm "Am Tag davor" herausbrachte. Ein Jahr später folgte die Bundesheer-Parodie "Atompilz von links", für die die Gruppe mit dem "Österreichischen Kleinkunstförderpreis 1985" ausgezeichnet wurde. Trotz des Erfolges gab Dorfer den Traum, eines Tages beim Theater unterzukommen, allerdings noch nicht ganz auf:

"Ich habe einfach Kabarett gemacht, immer in der Annahme, ich geh eh irgendwann einmal zum Theater. Und jetzt bin ich sehr froh, daß ich nicht zum Theater gegangen bin."

Nach einem Engagement bei der Salzburger "Szene der Jugend" ("Ballade von den großen Makabren") und einem gemeinsamen Auftritt mit Herwig Seeböck im "Sommernachtstraum", folgte 1986 aber doch wieder das "Schlabarett"-Programm "Kultur gegen alle", für das die Gruppe ein Jahr später Österreichs größten Kleinkunstpreis, den "Salzburger Stier", erhielt. Nach und nach stellten sich Erfolge ein, das Kabarett ging immer besser und Dorfers Interesse fürs Theater begann ganz allmählich abzuflauen.

"Das ist dann immer besser gegangen und irgendwann hat mich das Theater nicht mehr interessiert." formulierte es Dorfer im Interview. In den folgenden Jahren folgten die "Schlabarett"-Produktionen "Gott" und "Tod" - "Schlabarett" spielt Woody Allen (1987), "Sein und Schwein" (1988), "Planlos" ( ebenfalls 1988) und "Fröstl" (1990). Ungefähr in diese Zeit fällt auch der Beginn seiner Zusammenarbeit mit Josef Hader. Die beiden hatten 1989 während einer gemeinsamen Autofahrt beschlossen, einige Projekte in Zukunft miteinander zu realisieren. Das erste Resultat dieser Zusammenarbeit war das Programm "Freizeitmesse" (1989). Der wahre Geniestreich dieses unschlagbaren Duos erfolgte allerdings ein Jahr nach der Geburt von Dorfers Sohn Max, als Josef Hader mit Dorfer als Co-Autor 1991 das Kabarettstück "Indien" und damit gleichzeitig ein Stück österreichischer Kabarettgeschichte schrieb. Der beispiellose Erfolg dieses Projekts bei Kritik und Publikum ist heute schon fast legendär und reicht weit über die Grenzen Österreichs hinaus, bis ans Nürnberger Burgtheater, das 1998 in seinem Internet-Archiv anläßlich der Premiere des Stücks am "Gostner Hoftheater" in Nürnberg "Indien" als ein "schräges, oberösterreichisches Road-Movie", aber auch als ein "höchst erfolgreiches Theaterstück" mit einem "wunderbar sprachlosen Text"2 bezeichnete. Aber 1991 war nicht nur das Jahr von "Indien", auch das später verfilmte "Schlabarett"-Programm "Muttertag" und die ORF Produktion "Hader fürs Heim" stammen aus diesem Jahr. 1992 folgte das letzte "Schlabarett"-Programm "Mahlzeit", Vorläufer der momentan im österreichischen Fernsehen laufenden Sitcom "MA 2412", nach dem sich die Gruppe in ihre auch heute noch als sehr erfolgreiche Solokabarettisten tätige Einzelteile auflöste. Wie zu erwarten, erhielten Dorfer und Hader in diesem Jahr außerdem den "Österreichischen Kleinkunstpreis" für ihr Stück "Indien".

Im Jahr 1993 brachte Alfred Dorfer sein von der Süddeutschen Zeitung als "Sternstunde des Kabaretts" gefeiertes erstes Soloprogramm "Alles Gute" heraus, in dem übrigens erstmals die Figur des Musiklehrers Robert Brenneis auftauchte. Der Bühnenerfolg "Indien" wurde verfilmt und zu einem Kassenschlager in den heimischen Kinos. Seit Oktober '93 haben ca. 200 000 Menschen den Film gesehen. Ein Jahr darauf war Alfred Dorfer neben einer Reihe anderer österreichischer Kleinkunststars in der "Schlabarett"-Verfilmung "Muttertag" und in seinem 2. Soloprogramm "Ohne Netz" zu bewundern. Der CD-Livemitschnitt, sowie ein Maxi-CD mit drei aus dem Programm ausgekoppelten Liedern, erschienen ebenfalls 1994. Im Oktober 1995 hatte Dorfers zweiter, gemeinsam mit Harald Sicheritz geschriebener, Kinofilm "Freispiel" in Wien Premiere und wurde mit 160 000 Zusehern zur erfolgreichsten heimischen Kinoproduktion nach "Indien". Mittlerweile verwies allerdings Roland Düringers "Hinterholz 8" beide Streifen auf die Plätze und sprengte alle Besucherrekorde. 1996 hatte Dorfers 3. Programm "Badeschluß" in der Wiener "Kulisse" Premiere. Nach etlichen Spielserien in der "Kulisse" und im Wiener "Vindobona", ging Dorfer mit diesem Programm auf ausgedehnte In- & Auslandstourneen, die bis heute andauern. Ebenfalls derzeit noch brandaktuell ist die aus einer Zusammenarbeit mit Roland Düringer erwachsene Sitcom "MA 2412", deren erste beide Folgen zu Silvester im ORF ausgestrahlt wurden. Das Video zur Serie ist bereits seit Ende letzten Jahres erhältlich.

 

3. "SCHLABARETT"

Roland Düringer

Roland Düringer wurde am 31. Oktober 1963 geboren und lernte während seiner Schauspielausbildung Alfred Dorfer kennen, mit dem ihn während der nächsten Jahre eine enge Zusammenarbeit verbinden sollte. Als ein fester Bestandteil des "SCHLABARETT"-Ensembles wirkte Düringer in sämtlichen, bereits erwähnten Programmen der Kabarettgruppe mit. Nebenbei brachte er bereits 1988 gemeinsam mit Josef Hader das Fernsehkabarett "D.O.R.F." heraus und übernahm 1991 Regietätigkeiten im Cinetheatro bei Woody Allens "Tod". 1993 wagte Düringer den nächsten Schritt in Richtung >Medienkabarettist<: In der bitterbösen Gemeindebausatire "Muttertag" übernahm er den Part des Hauptdarstellers und des Autors. Ein Jahr später brachte er schließlich sein erstes Soloprogramm "Hinterholz 8" heraus, für das er mit dem österreichischen Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurde. 1995 folgte "Superbolic" und die Rolle des Künstleragenten Schindler in "Freispiel". Ab 1996 gehörte Düringers Joschi Täubler zur Stammbesetzung in der ORF-Serie "Kaisermühlenblues". Ein Jahr später brachte Düringer sein bislang drittes Soloprogramm "Benzinbrüder" heraus. Den größten Coup landete er allerdings 1998 mit der Verfilmung seines ersten Programms: "Hinterholz 8", ein explosives Gemisch aus guten Gags und noch besseren schauspielerischen Leistungen diverser heimischer Kabarettgrößen, brach an den Kinokassen alle Rekorde und sorgte wochenlang für ausverkaufte Häuser. Derzeit ist Roland Düringer an der Seite von Alfred Dorfer und Karl Ferdinand Kratzl in der Sitcom "MA 2412" im ORF zu sehen.

 

Andrea Händler

Andrea Händler wurde am 14. Mai 1964 in Wien geboren. Nachdem die ambitionierte "Jungschauspielerin in spe" vom Reinhardt-Seminar abgewiesen wurde, ging auch sie durch die bekannte Seeböck-Schule und gründete 1984 gemeinsam mit Alfred Dorfer und Roland Düringer die Kabarettgruppe "SCHLABARETT". Von da an wirkte Händler bis 1988 in sechs Programmen der Truppe mit. 1994 spielte sie, neben ihrer Rolle in "Muttertag" außerdem das Kabarett "Qualverwandtschaft" (mit Herwig Seeeböck), weiters "Männer-Schmerzen" und "Frauen-Schmerzen" (von Uli Bree) und "Schräbergärten" (mit Reinhard Nowak). In den folgenden Jahren brachte sie die Soloprogramme "Diskret" (Text und Regie: Uli Bree) und "Heiß gemacht" (ebenfalls Text und Regie: Uli Bree) heraus. Vergangenes Jahr folgte ihr drittes Programm "Auszeit". Nebenbei wirkte sie in zahlreichen TV-Produktionen wie "Kaisermühlenblues" und "Die kranken Schwestern" mit und war zuletzt in dem Kassenschlager "Hinterholz 8" im Kino zu sehen. Für ihre Verdienste in der österreichischen Kleinkunstszene wird Andrea Händler heuer mit dem "Salzburger Stier '99" ausgezeichnet.



 

Reinhard Nowak

Reinhard Nowak wurde am 28. April 1964 geboren und studierte Theaterwissenschaften in Wien. Neben seinem Schauspielunterricht bei Herwig Seeböck und Reinhard Tötschinger war er zuerst als Statist am "Theater in der Josefstadt" tätig, bevor er dann als Bestandteil des Seeböck-Ensembles in den Stücken "Summanochdsdram", "Irrtum über Irrtum" und "Dr. Jeckill und Mr. Hyde" mitwirkte. Als Mitglied der Kabarettgruppe "SCHLABARETT" spielte er die Programme "Atompilz von links" (1985) und "Planlos" (1988). 1994 wirkte er in dem Streifen "Muttertag" in seiner ersten Filmrolle mit. 1995 setzte er seine Schauspielerkarriere in dem Film "Freispiel" fort, bevor er 1996 sein erstes Soloprogramm "Einer muß der Nowak sein" herausbrachte. Neben den beiden erwähnten Filmen wirkte Nowak in einer Reihe anderer heimischer TV-Produktionen mit, wie zum Beispiel dem "Kaisermühlenblues", "Geschichten aus Österreich", "Heiteres Bezirksgericht", "Lovers", "Liebling Kreuzberg", "Die kranken Schwestern", "Qualtingers Wien", "Stockinger" und der momentan laufenden Sitcom "MA 2412". Zuletzt war Reinhard Nowak neben zahlreichen Bühnenkollegen in Roland Düringers Programmverfilmung "Hinterholz 8" im Kino zu sehen.

Da nun schon so oft die Rede von den zahlreichen "SCHLABARETT"-Programmen war, liegt es nahe, zumindest jene zwei, die auf Video erhältlich sind, etwas näher zu behandeln.

 

3.1 "Atompilz von links"

Das zweite Programm der vierköpfigen Truppe ist eine beißenden Bundesheerpersiflage, in der der "Gefreite Dorfer" anstatt seiner erwünschten Zivildienstlaufbahn die Hölle der österreichischen Kasernen er- und überlebt. Mehr als 200 Vorstellungen machten dieses Programm zu einem wahren Kabarettklassiker, rechtfertigen die Kritik im KURIER ("Das Beste, was Österreichs Kabarett je hervorgebracht hat!"3) und zeigen wieder einmal, daß die besten Geschichten immer noch das Leben selbst schreibt. Nicht umsonst heißt es im Nachspann der 1991 in der "Kulisse" in Wien entstandenen Aufzeichnung: " Die dargestellten Handlungen sind nicht frei erfunden. So etwas läßt sich nicht erfinden! Ähnlichkeiten der Handelnden mit Personen des täglichen Lebens sind unvermeidlich und beabsichtigt." "Atompilz von links" erzählt die Geschichte dreier junger Staatsdiener, die verschiedener nicht sein könnten und sich dennoch in einem Zimmer buchstäblich zusammenraufen müssen. Eine Geschichte über Menschen und Unmenschen, Schleifer, Kumpel, Kameraden, Gastarbeiter, Manöverberichterstattung und Bürgermeister, Bankbeamte und Studenten. Dorfer glänzt als schleimig-schikanierender Ausbildner genauso wie als alternativer und sozialkritischer Student mit Kabarett- und Zivildienstambitionen, der sich allerdings im alkoholgeschwängerten Dunst seiner Kameraden sehr schnell akklimatisiert und an die herrschenden Verhältnisse anpaßt. Unvergleichlich auch Reinhard Nowak als verwöhntes und eigentlich untaugliches Muttersöhnchen, das vom doch eher rüden "Kameraden Düringer" täglich um seine "Gummiquaxi" gebracht wird, furchtbar unter den Schikanen seiner Mitbewohner und dem rauhen Ton in der Kaserne leidet und schlußendlich dann selbst den Ausbildnerlehrgang absolviert, um eine olivgrüne Karriere< anzustreben.

3.2 "Sein und Schwein"

Vielleicht noch mehr aus dem Leben gegriffen als "Atompilz von links" ist das Thema des aus 1988 stammenden Programms "Sein und Schwein".

"Die Brunftzeit des menschlichen Männchens dauert vom 1. Jänner bis zum 31. Dezember" und wird von Dorfer und Düringer im Alleingang mit gnadenloser Unbarmherzigkeit auf der Bühne persifliert. Handle es sich nun um die nächtlichen Geschehnisse während eines Schülerschikurses, um die neue Kollegin im Büro, diverse verunglückte Versuche, dem weiblichen Geschlecht anstatt durch menschliche Stärke mit starken Motoren zu imponieren ("Auf der Südost-Tangente ist mir ein Ölfleck entgegengekommen ..."4) - Dorfer und Düringer machen vor nichts Halt, drehen unbarmherzig jeden nur erdenklichen Männer-Typus durch den kabarettistischen Reißwolf und stoßen dabei auf manchmal wahrhaft "göttliche" Pointen. Denn auch im Himmel sind die Zustände für Frauen alles andere als paradiesisch.

 

4. "Alles Gute"

Alfred Dorfers im Jahr 1993 herausgebrachtes erstes Soloprogramm betitelt sich zu Recht mit "Alles Gute". Denn zu diesem Debüt kann man ihm nur gratulieren. Als sich die Gruppe "SCHLABARETT" 1992 auflöste, lastete auf jedem der vier Mitglieder das Erbe von gut acht Jahren exzellentem Kabarett-Theater. Kein Wunder, daß Dorfers erstes Soloprogramm nicht nur in Österreich mit Spannung erwartet wurde - und den hochgeschraubten Erwartungen standhielt:

"Dies ist eine Sternstunde des Kabaretts!" --- Süddeutsche Zeitung

"Der berührendste Spaßmacher seit langem." --- Standard

"Ich kenne keinen Kollegen, der so umfassend begabt und ausgebildet ist." --- tz-München5

Durch und durch also nur positive Reaktionen, und das auch im Süddeutschen Raum. Daß Dorfer "umfassend begabt und ausgebildet" ist, stellt er in "Alles Gute" vor allem durch ohne weiteres als genial zu bezeichnende Musikeinlagen unter Beweis. Tatkräftig dabei unterstützt wird Dorfer durch seine mittlerweile zum fixen Bestandteil auf der Bühne avancierte Begleitband. Und hier wird auch gleich die erste Korrektur bezüglich Alfred Dorfer fällig: Entgegen der allgemeinen Auffassung bezeichnet sich Dorfer selbst nämlich nicht als Solokabarettist, sondern sieht die drei Musiker seiner Begleitcombo Peter Hermann, Lothar Scherpe und Günther Paal ("Gunkl") als integralen Bestandteil seiner Programme. Bemerkenswert ist auch, daß mit Günther Paal ja auch ein eigenständiger Solokabarettist (und zwar wirklicher Solokabarettist!) Mitglied der Band ist. Ohne seine eigenen Leistungen schmälern zu wollen, erschien es mir, aufgrund der engen Zusammenarbeit der beiden Kabarettisten, strukturell doch am Klügsten, nähere Informationen zu Günther Paals Kabarettistenlaufbahn hier im dritten Teil dieser Arbeit anzuführen und nicht, wie vielleicht erwartet, in der "Geschichte des Kabaretts".



Günther Paal

Günther Paal wurde am 23. März 1962 in Wien geboren. Bevor er sich zur Kabarettistenlaufbahn entschloß, arbeitete er 12 Jahre lang als Kellner, lernte nebenbei Saxophonspielen, entdeckte seine Liebe zum Baß und wurde Mitglied der Band "Wiener Wunder". Seit der Auflösung des Kabarettensembles "SCHLABARETT" begleitet er außerdem Alfred Dorfer bei seinen Auftritten als Mitglied in Dorfers Liveband. Sein erstes eigenes Kabarettprogramm "Grundsätzliche Betrachtungen" brachte Günther Paal, der unter dem Namen "Gunkl" auftritt, erst 1995 heraus. Es folgte das Programm "Das Beste aus den nächsten sechs Programmen mit Ausnahme des fünften", für das er 1996 den "Salzburger Stier" erhielt. Sein drittes Soloprogramm trug den nicht ganz einfachen Namen "Ich muß mich jetzt genug konzentrieren, damit ich diese quasimetasprachliche Geschichte halbwegs glaubwürdig und nachvollziehbar auf die Bühne stell", wurde aber gemeinhin mit dem durchaus berechtigten Untertitel "Ein irrsinnig kompliziertes Programm" bezeichnet. Wie schon aus den Programmtiteln hervorgeht, ist Paal ein Liebhaber der Sprache selbst, der gänzlich ohne Requisiten auskommt. Ohne Zweifel kann man Günther Paal daher als "wirklichen" Solokabarettisten bezeichnen. Neben seinen Single-Auftritten auf der Bühne und den Tourneen gemeinsam mit Alfred Dorfer, wirkte Paal, dem allgemeinen Trend folgend, auch in zahlreichen Filmproduktionen, wie "Muttertag" und "Freispiel", mit. Im Herbst dieses Jahres hatte sein viertes Soloprogramm "Ohne Titel" in der Wiener "Kulisse" Premiere.

Neben der ständigen Anwesenheit seiner Liveband auf der Bühne führt Dorfer außerdem als Unterscheidungsmerkmal zu zahlreichen Kollegen an, daß er in seinen Programmen immer ein bestimmtes Thema behandelt. Über sein erstes Programm "Alles Gute" sagt Dorfer im Interview:

"Alles Gute" war ein Stück über die Einsamkeit. Das erste Stück, wo der Lehrer den 30-sten Geburtstag feiert (...) also ein Fest organisiert und es kommt keiner.

Und da hat mich interessiert daran, was passiert mit Leuten, die sich plötzlich auf sich allein gestellt fühlen. (...) "Alles Gute" war ein Stück über die Einsamkeit und ein Umgang auch mit Einsamkeit, also mit nicht erfüllten oder nicht realisierten Vorstellungen oder Träumen, die man hat."

Die Einsamkeit spielt auch in Dorfers letztem Programm "Badeschluß" eine wichtige, wenn auch nicht so zentrale, Rolle. Die Aufarbeitung des Themas jedoch, ist eine grundverschiedene. Er-wähnenswert scheint mit noch, daß in "Alles Gute" erstmals die Figur des Musiklehrers Robert Brenneis, eine von Dorfers Lieblingsrollen, auftaucht, die uns in dem Film "Freispiel" erneut begegnen wird.

Prinzipiell fühlt sich Alfred Dorfer allerdings auf der Bühne wohler als auf der Leinwand ("Live auf der Bühne zu spielen ist mein Zuhause, das ist mein Herzstück"6). Und dieses Statement bringt uns gleich zum nächsten Kapitel der Arbeit: Der immer augenscheinlicher werdenden Vorliebe der meisten Kabarettisten für elektronische Medien wie Kino, TV und Video.

 

5. Hinwendung zu den Medien

Wie ich bereits in der "Geschichte des Kabaretts", sowie auf der vorhergehenden Seite habe anklingen lassen, ist in der Kabarettszene gegen Ende des 20. Jahrhunderts ein immer stärker werdender Trend zu den elektronischen Medien wie Film und Fernsehen wahrnehmbar. Natürlich kann man einwenden, daß ja schon 1958 die Gruppe um Helmut Qualtinger ihr Programm "Spiegel vorm G'sicht" im TV spielte, aber zu dieser Zeit war das Fernsehen nur eine Notlösung, weil es an geeigneten Veranstaltungsorten mangelte. Die versteckten Eingänge zu den verrauchten Kellerbühnen Wiens, in denen, im auserwählten Kreis gnadenlos über die Regierung oder sonstige Zeiterscheinungen hergezogen wurde, sind kurz vor der Jahrtausendwende fast von der Bildfläche verschwunden oder zumindest für Neueinsteiger reserviert. Die etablierten Kabarettgrößen lächeln statt dessen bereits im Eingangsbereich großer Handelsketten wie Libro von glänzenden Video- und CD-Hüllen auf mannshohen Ständern herab und manifestieren somit als kommerzielle Zeugen unserer Wegwerfgesellschaft die Wandlung des Kabaretts von der Sozialkritik zum Konsumartikel. Und das, obwohl sie selbst doch in ihren Programmen immer wieder als vehemente Gegner eben dieser Konsumgesellschaft auftreten. Es wäre jetzt nicht fair, die "Schuld" für diesen Widerspruch bei den Agenturen oder gar bei den Kabarettisten selbst zu suchen, ja nicht einmal die Gesellschaft kann man dafür zur Verantwortung ziehen. Es ist das Kabarett selbst, das den Kabarettisten in diesen unlösbaren Konflikt stürzt. Steht dieser doch vor einer ohnehin schon aufgeklärten und ewig derselben Minderheit auf der Bühne, um Aufmerksamkeit ringend und mit dem Ziel, sich auch bei der breiten Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen und wirkt doch, sobald er eben dieses geschafft hat, schon wieder unglaubwürdig.

Bei all diesen negativen Aspekten, welche die Medialisierung des Kabaretts in den letzten Jahren mit sich gebracht hat, darf man keinesfalls darauf vergessen, auch die positiven Auswirkungen dieser Entwicklung gebührend zu erwähnen. Ohne Zweifel steht fest, daß die verstärkte Präsenz in Rundfunk und Fernsehen eine wichtige Rolle bei der Renaissance spielte, die das Kabarett in den letzten Jahren erlebte. Schallplatten, CDs, Videos und Fernsehaufzeichnungen machten es möglich, Kabarett für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Ich meine dabei mit "breiterem Publikum" nicht, daß sich seit der verstärkten Medienpräsenz des Kabaretts mehr Menschen als die Angehörigen einer gewissen intellektuellen Oberschicht unserer Gesellschaft mit dieser Form von Kleinkunst befassen würden, sondern vielmehr, daß sich die Rezeption heutzutage nicht mehr ausschließlich auf urbane Regionen beschränkt. Waren in den fünfziger Jahren Stars wie Helmut Qualtinger vorwiegend in Wien bekannt und ihre Programme auch inhaltlich auf die Bundeshauptstadt zugeschnitten, so ist heute der aus Waldhausen in NÖ stammende Josef Hader auch den Vorarlberger Kabarettfans ein Begriff - nicht zuletzt auch durch Kinoerfolge wie "Indien". Und "Indien" bringt uns auch gleich wieder zu unserem ursprünglichen Thema zurück: Ein Grund, neben den vielen, die ich bereits auf der ersten Seite dieses dritten Teils erwähnt habe, warum ich gerade auf Alfred Dorfer näher eingehen wollte, ist die bei ihm sehr auffällige Tendenz hin zu den elektronischen Medien, insbesondere seine Affinität zur Leinwand. Diese besondere Vorliebe für das Kino in den letzten Jahren wirkt für mich persönlich, so muß ich gestehen, ein wenig überraschend, ist das Kino doch keine technische Errungenschaft der letzten beiden Jahrzehnte, wie beispielsweise die CD oder die Videokassette, sondern eine Erfindung, deren Geburtsstunde etwa mit der des Kabaretts zusammenfällt. Daß diese beiden Gattungen der darstellenden Kunst erst nach einiger Zeit der Koexistenz zusammentrafen, während die Grenzen zwischen Theater und Kabarett schon seit jeher fließend waren, kann ich mir persönlich nicht erklären. Daß aber gerade ich, als Bewohner der "Provinz", sehr erfreut über die Entwicklung der letzten Jahre bin, bedarf wohl keiner besonderen Erklärung.

 

5.1 "Indien"

"Indien" erzählt die Geschichte zweier Gastronomie-Inspektoren, die sich, ausgerüstet mit dürftigem Equipment und ebenso dürftiger Motivation, dafür aber mit den widersprüchlichsten Charaktären, die man sich vorstellen kann, auf eine Dienstreise quer durch österreichisches Hinterland, fernab von jeglichem florierenden Tourismus begeben, um den dort ansässigen Wirten auf die schnitzelbratenden Finger zu schauen. Die zwei Protagonisten, Bösel und Fellner mit Namen, könnten unterschiedlicher nicht sein: der eine ein griesgrämiger und bestechlicher Kartoffelsalatkritiker mit dem Charme einer ungewaschenen Klobürste, seines Zeichens unbesiegbarer Champion im Zweierschnapsen ("Hearns, des san ja kane Bummerln, was Sie da haben, des is ja a Ausschlag"), der andere ein pseudointellektueller Trivial-Pursuit Fetischist und Anhänger fernöstlicher Philosophien, dessen große Träume sich wahrscheinlich erst nach der Reinkarnation erfüllen werden. Die sich aus diesen beiden Typen unweigerlich ergebende Situationskomik dominiert den ersten Teil des erstmals 1991 aufgeführten Kabarettstücks und ist das Ergebnis eines gemeinsamen Kaffeehausbesuches der beiden Autoren. Josef Hader berichtete darüber in einem Gespräch mit den Schauspielern des Linzer Theaters PHÖNIX:

"Wir sind im Kaffeehaus gesessen und haben so ein bißchen improvisiert und das aufgeschrieben und haben dann am Schluß versucht, ein Stück daraus zu machen (...) Es war nicht so, daß der Fredl { Dorfer } das geschrieben hat, was der Fellner sagt, sondern wir haben eigentlich viel (..) gemeinsam über den Fellner improvisiert und den Bösel haben wir dann eigentlich fast dazu geschrieben, weil er ja fast nur reagiert und du tust dir leichter beim Schreiben bei dieser Fellner-Figur. So ein Halbgebildeter ist ideal fürs Kabarett."7

Der mißmutige und wortkarge Bösel entstand mehr oder weniger nur als Antwort auf den unab-lässig von fremden Kulturen faselnden Fellner. Aber nicht nur die indischen Weisheiten, die Fell-ner von sich gibt, übertrugen sich auch auf die Rezipienten. Vielmehr lag ganz Österreich nach der Kinopremiere des Films am 10. Oktober 1993 im >"Danke, ganz lieb"-Fieber<. Wie fast alles in Dorfers Kabarettprogrammen ist auch dieser Ausspruch nicht dem Autor selbst entsprungen, sondern eine aus dem Alltag aufgeschnappte Begebenheit: "Danke, ganz lieb! Hat der stell-vertretende Filialleiter meiner Bank immer gesagt, und zwar bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit.",8 soweit Alfred Dorfer in einem Interview. Daß der Streifen ein ungeheurer Publi-kumserfolg im In- und Ausland wurde, liegt allerdings nicht nur an diesen drei Wörtern, sondern vor allem an der Handlung. Die vorerst von Verachtung und eiskalter Ablehnung geprägte Be-ziehung der beiden Hauptfiguren gipfelt in einer fast schon an Gewalttätigkeit grenzenden Szene, in der ein stockbesoffener Bösel Fellner gegenüber seine Einstellung zu Frauen und Sexualität sehr anschaulich demonstriert, um sich dann in einer berührenden Verbrüderungsszene vor der nächtlichen Klotür zu einer der schönsten Männerfreundschaften, die in den letzten Jahren im Kino zu sehen war, zu entwickeln. Wie tief die Verbindung der beiden wirklich ist, zeigt sich im zweiten Teil der Handlung, als der schwerkranke Fellner von seinem ehemaligen Arbeitskollegen Bösel auf rührend hilflose Art und Weise bis ans Totenbett umsorgt wird. Kritiker und Publikum waren begeistert. Als Dorfer und Hader mit dem Theaterstück "Indien" auf Deutschland-Tournee gingen "sah sogar der 'Spiegel' ein >Wunderwerk des komischen Schreckens< und schrieb begeistert von einem Duo, >wie es sich Thomas Bernhard und Helmut Qualtinger in einer gemeinsam durchsoffenen Nacht vielleicht hätten ausdenken können<".9 Aber es hagelte nicht nur enthusiastische Kritiken, sondern auch Preise: Der Film "Indien" wurde mit dem österreichischen "Thomas Pluch Drehbuchpreis 1993", mit dem "Preis des saarländischen Ministerpräsidenten" und beim Santa Barbara Filmfestival mit dem "Dame Judith Anderson Award for the Best Feature Film" ausgezeichnet.

 

5.2 "Muttertag"

Obwohl Alfred Dorfer schon beim Film "Indien" das Gefühl hatte, "daß das kein Erfolg werden kann",10 war er noch mehr überrascht, als auch die "SCHLABARETT"-Verfilmung "Muttertag" ein gigantischer Publikumserfolg wurde. Wie zuletzt in Roland Düringers "Hinterholz 8" ist auch in diesem Film fast die gesamte heimische Kleinkunstprominenz vertreten, großteils sogar in Doppel- oder Mehrfachbesetzungen. Das ursprünglich schon 1991 entstandene und drei Jahre später verfilmte "SCHLABARETT"-Stück wurde zum großen Erfolg an den heimischen Kinokassen. In dieser beißenden, im Wiener Gemeindebau-Milieu angesiedelten Muttertagssatire erlebt der Zuschauer 48 Stunden voller Skurillität im Leben der Familie Neugebauer: Es ist das zweite Wochenende im Mai. Blumen und Geschenke werden gekauft, Gedichte auswendig gelernt, Überraschungen vorbereitet - und trotzdem stehen der Familie alles andere als zwei geruhsame Tage ins Haus. Wie so oft bei feierlichen Anlässen bricht die mühsam zugespachtelte, scheinbar perfekte Familienfassade auf und enthüllt ein erschreckend reales Bild voll moralischer Abgründe und vertuschter Konflikte: das ursprünglich als harmonisches Familienessen auf der Terrasse geplante Kotelett-Grillen wandelt sich von einer Sekunde auf die andere zum wahren Alptraum, der Mamas kleptomanisch bedingte Verwicklung in einen Mordfall genauso ans Tageslicht bringt wie Papas erst zwei Wochen zurückliegenden Seitensprung und Sohnemanns perverse Vorliebe für fatale Computerspielereien. Am Ende hat das Muttertagswochenende neben den 170.000 Schilling, die der Großvater dem WWF gespendet hat, um einer Abschiebung ins Altersheim zu entgehen, auch noch zwei Leben gekostet: jenes des vom Opa versehentlich platt-gesessenen Meerschweinchens Willi und das, der, ebenfalls vom Großvater unabsichtlich mit dem Grillspieß ermordeten, Evelyn Schöbinger. Daß es trotz dieser furchtbaren Umstände für die meisten der Beteiligten noch zu einem Happy End kommt, zeugt vom rabenschwarzen Humor der Geschichte.

 

5.3 "Freispiel"

In dem schon einige Male erwähnten Film "Freispiel" begegnet uns erneut die schon aus Dorfers Debütprogramm "Alles Gute" bekannte Figur des Musiklehrers Robert Brenneis. Frustriert über seine nicht zustandegekommene Karriere als begnadeter Gitarrist und Songwriter fristet Brenneis ein reizloses Dasein als noch immer nicht pragmatisierter Musiklehrer, der ob dem Haß seiner Kollegen und dem Unverständnis seiner Frau zu verzweifeln droht. Als ihm sein ehemaliger Musikerkollege Pokorny, inzwischen zum gefeierten Star der heimischen Austropop-Szene avanciert, ungefähr alle zehn Meter grinsend auf einer Plakatwand begegnet, spitzt sich die Situation vollends zu - und mündet in einem als Rettungsversuch für seine dem Scheitern nahe Ehe gedachten Italienurlaub, der allerdings zum endgültigen Fiasko wird. Robert fährt überstürzt alleine nach Wien zurück und erliegt dort beinahe dem Charme einer attraktiven Arbeitskollegin seiner Frau, während diese ihre Zeit, vorwiegend eisessend und von einem glutäugigen Casanova umschwärmt, an der italienischen Küste totschlägt. Und plötzlich wird Robert klar, daß er nur dann mit sich selbst ins Reine kommen kann, wenn er es wagt, dem verhaßten Konkurrenten persönlich in die Augen zu sehen. Fest entschlossen besucht er eines von Pokornys restlos ausverkauften Konzerten und macht sich nach der Vorstellung mit ihm auf den Weg durch die Schicki-Micki-Szene Wiens. Zurückgekehrt von dieser turbulenten Nacht erwartet Robert eine von seiner inzwischen aus Italien heimgekehrten Frau Doris vollkommen demolierte Wohnung. Nach der Aufklärung diverser Mißverständnisse aber, wendet sich die Situation, abgesehen von den zwei Bauarbeitern, die versehentlich die Wand zur Brenneis'schen Küche niederreißen, im Großen und Ganzen wieder zum Guten.

Wie schon berichtet, ist Dorfer trotz der großen Erfolge seiner Ausflüge ins Kino doch eher ein Freund der Kleinkunstbühnen geblieben. Das liegt wohl im Wesentlichen daran, wie Dorfer einmal in einem Interview erklärte, daß das Kino nur ein Versuch ist, "die Geschichten, die auf der Bühne stattfinden, in ein anderes Medium zu übertragen. Nur liegen dort viele Dinge nicht in meinem Bereich, und ich hab' auch keinen Einfluß darauf."11 Grundsätzlich bevorzugt Alfred Dorfer also das Kabarett im althergebrachten Sinn, was aber nicht heißt, daß er nicht auch offen für Neues ist. So schreckten er und Roland Düringer auch nicht davor zurück, aus ihrer letzten gemeinsamen "SCHLABARETT"-Produktion "Mahlzeit" eine Sitcom für den ORF zu drehen, obwohl der Begriff der TV-Serie heutzutage sehr oft den Beigeschmack von billigen Pointen und gekünstelten Lachern trägt.

 

5.4 "MA 2412"

Was aus dem Projekt geworden ist, kann sich jedoch sehen lassen. Mit Dorfer und Düringer als 'Herr Weber' und 'Ingenieur Breitfuß', zwei Bediensteten im überflüssigen Dekorationsreferat für den Weihnachtsschmuck der Stadt (daher MA 2412 = Magistrats Abteilung 24. 12.), führen die beiden Kabarettisten in der Rolle zweier Bilderbuchbeamten "die hohe Kunst bürokratischer Überbelastung bei gleichzeitiger Unterbeschäftigung vor."12 Vereint werden die zwei Streithähne dabei nur durch den Kampf gegen die allerschlimmsten Bedrohungen: die Arbeit und den Parteienverkehr. Als Drehbuchschreiber fungieren ebenfalls die beiden Stars der Serie, wobei ohne weiteres Aussagen zustandekommen können, wie jene der ebenso attraktiven wie, sagen wir einmal, einfältigen Sekretärin Frau Knackal:

"Die Herren erholen sich gerade von der Mittagspause."

In der Rolle der blonden Vorzimmer-Venus, deren Techtelmechtel mit einem einflußreichen Senatsrat der wahre Hintergrund für das noch immer bestehende Referat ist, glänzt Monica Weinzettl. Ebenfalls mit von der Partie ist der mit magischen Kräften ausgestattete "Herr Claus", dargestellt von Karl Ferdinand Kratzl. "Weber" und "Breitfuß" sind übrigens nicht die einzigen Staatsdiener, die in diesen geweihten Räumen ein-und ausgehen dürfen: auch die Exekutive ist durch den "Stockinger" und den "Bullen von Tölz" wahrhaft >massenhaft< vertreten, sind doch Karl Markovics (in der Rolle des eben angesprochenen Senatsrates) und Ottfried Fischer regelmäßig als Gaststars der Serie engagiert und jedesmal wieder für einige Lacher gut. Diese Lacher sind übrigens, und darauf legen Dorfer und Düringer großen Wert, keine auf Tonband aufgenommenen, denn im Gegensatz zu den meisten, aus Amerika importierten Vorabendserien, wurde die österreichische Sitcom vor Live-Publikum aufgenommen. Aber das ist nicht der einzige Unterschied zu den herkömmlichen Serien: bei "MA 2412" wurde zudem der eher ungewöhnliche Weg gewählt, die Videos der ersten neun Folgen vor dem Start im TV zu verkaufen. Der Gedanke, zu vermuten, dies sei aus kommerziellen Interessen geschehen (wer kauft sich schon eine Videokassette, wenn er die entsprechende Sendung schon längst mit dem Recorder zu Hause aufgezeichnet hat?), liegt natürlich nahe. Laut Dorfer war das ganze allerdings nur "ein Experiment" bei dem "völlig offen" ist, was "dabei herauskommt"13 so Dorfer in einem Interview mit den OÖN. Denn Alfred Dorfer spricht sich an anderer Stelle ganz klar gegen eine zu starke Kommerzialisierung des Kabaretts aus. Wörtlich meint er: "Die Kommerzialisierung des Kabaretts soll nur einen gewissen Punkt erreichen. Wenn ich z.B. in einem Fernsehspot für Toilettenpapier werbe und am Abend meinen gallebitteren Spott über Mißstände ausschütte, dann werde ich unglaubwürdig."14

Damit spricht er eigentlich auch mir aus der Seele und ich hoffe, daß das so bleibt.

 

6. "Ohne Netz"

Wenden wir uns jetzt aber neben all den außertourlichen Beschäftigungen, denen sich Alfred Dorfer in letzter Zeit widmete, lieber wieder seinem kabarettistischen Schaffen auf der Kleinkunstbühne zu. Sein zweites Soloprogramm "Ohne Netz" hatte im April 1994 im Wiener "Vindobona" Premiere und ist nicht nur wegen seiner für mich unbestrittenen Amüsanz, sondern auch wegen des sprachwissenschaftlichen Konzepts dahinter, äußerst interessant.

Laut dem Videocover erzählt dieses Programm "die wundersame Geschichte eines erfolgreichen Entertainers, dem wir abseits vom Glamour des Showbiz in seine eigenen kleinen Schattenseiten folgen dürfen."15

Selbst wenn dieser Satz auch mit dem für das Kabarett typisch ironischen Unterton formuliert wurde, so trifft er doch den Kern der Sache ziemlich genau. Denn Dorfer spielt sich selbst in "Ohne Netz" und vermittelt auf diesem Weg den Zuschauern den Eindruck, sie an seinem eigenen Leben teilhaben zu lassen. Schon Jürgen Henningsen unterschied 1967 in seiner "Theorie des Kabaretts" drei verschiedene Rollen des Kabarettisten, als dritte die "Rolle der eigenen Person, die der Kabarettist in der Wirklichkeit spielt: 'Er trägt einen bürgerlichen Namen und legt ihn auf der Bühne nicht ab.'"16 welche mir hier zutreffend erscheint. Dorfer baut also eine Fiktionskulisse auf, basierend auf dem Konzept, sich selbst in seiner Rolle als Kabarettist auf der Bühne darzustellen. Neben all den Möglichkeiten, die ihm zur Regulierung der Dichte seiner Fiktionskulisse offenstehen, wie zum Beispiel Publikumsanrede, nützt Dorfer auch die gestalterischen Möglichkeiten, die sich durch die Variation der Nummernfolge, insbesondere durch die eigentlich unsachgemäße Verschiebung von Ecknummern, ergeben.

Kurioserweise beginnt Dorfer sein Programm nämlich mit dem Ende: das Gruppenlied "Des wars dann"17 läßt den verwunderten Zuschauer zuerst erschrocken auf die Uhr blicken um dann erleichtert feststellen, daß er doch nicht zu spät gekommen ist. Dorfer zieht indes seine Strategie vollkommen rücksichtslos durch, reagiert zuerst mit einer unwirschen Ablehnung auf den angeblichen Wunsch nach einer Zugabe, kommt ihm dann aber doch nach und entschwindet anschließend mitsamt seinen Bandkollegen hinter die Bühne, um den lauschenden Zuschauer mittels eingeschalteten Funkmikrophonen mit Künstlergarderobenkonversation à la "I muaß dringend schiffen jetzt. - Ja, i hob's eh g'sehn, die letztn zwa Nummern hast scho ganz gelbe Augn g'hobt!" zu unterhalten. Anschließend hat das Publikum Gelegenheit, den nach Kabarettveranstaltungen üblichen Annäherungsversuchen diverser Autogrammjäger und Journalisten, allesamt von Dorfer selbst in Mehrfachbesetzung dargestellt, beizuwohnen um schließlich dem erschöpften Kleinkünstler in sein Hotelzimmer zu folgen. Dort angekommen wird in einem fiktiven, mit dem Manager geführten, Telephongespräch eine Andeutung auf einen besonderen Vorfall während der heutigen Vorstellung gemacht, von dem die Zuschauer allerdings nichts Konkretes erfahren. Scheinbar ohne tieferen Sinn geht Dorfer dann dazu über, seine bisher relativ lückenlos aufgebaute Fiktionskulisse gänzlich fallen zu lassen und sich mit einem Monolog über sein eigentliches Thema "Kind sein in Wien" direkt an das Publikum zu wenden. Dorfer verstärkt diesen defiktionalisierenden Effekt zudem durch eingefügte Publikumsdialoge mit dem Kollektiv, welche gänzlich vom Thema abweichen und die Aufführungssituation als solches betreffen und verkehrt somit den sehr hohen Fiktionalitätsgrad des Programmbeginns innerhalb weniger Minuten ins komplette Gegenteil. Der "Held" seiner, mit publikumsanredenden Elementen durchsetzten Schilderung über die Wiener Kindheit, ist ein mit dem Namen "Burli" sehr allgemein bezeichneter kleiner Junge. Diese äußerst vage Charakterisierung der Figur führt unweigerlich dazu, daß die Zuschauer die erzählten Begebenheiten nicht ausschließlich auf das Heranwachsen dieses bestimmten kleinen Buben beziehen, sondern sie, wie vom Kabarettisten ja beabsichtigt, als Kritik an allgemein herrschenden Mißständen auslegen. Der in diesem Stil fortgeführte, von einigen musikalischen Einlagen mit der Band unterbrochene, Vortrag nimmt den restlichen Teil der ersten Hälfte des Programms ein. Nach der Pause greift Dorfer die fast schon in Vergessenheit geratene Fiktionskulisse des Programmbeginns erneut auf und sitzt telephonierend in seinem Hotelzimmer. In einem anschließend mit den Bandkollegen im Nachbarzimmer geführten Telephongespräch offenbart sich alsdann die angedeutete Besonderheit während der Vorstellung des Abends, die es rechtfertigt, diesen zum Thema eines ganzen Programms zu erheben und welche gleichzeitig einen Bogen zu dem vorher so zusammenhanglos erscheinenden Monolog über die Kindheit in Wien spannt:

  • GUNKL: Sag Frage: (...) na, jetzt ernsthaft: was war das heute bei der Vorstellung. Der lange Blick, was war da ?
  • DORFER: Du, i glaub mein Vater war da.18

Und von einem Moment auf den anderen wird dem Zuschauer alles klar: der lange Blick zu Beginn, die unpassend eingeschobene Schilderung über die Schwierigkeiten Heranwachsender in Wien, die besondere Hervorhebung der Vaterfigur - das alles ergibt plötzlich einen Sinn und wird vielleicht sogar mit Alfred Dorfer selbst in Verbindung gebracht.

So wichtig diese Szene auch ist, sie ist trotzdem äußerst kurz gehalten, denn sofort nach diesem Bruch in der Handlung läßt Dorfer die Fiktionskulisse ebenso schnell, wie er sie gerade wieder aufgebaut hat, erneut fallen und setzt mit der Schilderung "Burlis" Leben fort, wobei er geschickt von diesem einen konkreten Fall auf die Allgemeinheit umschwenkt. Fortan spielt "Burli" nicht mehr wie bisher die Hauptrolle, sondern ist nur mehr eine untergeordnete Figur, die in einer einzigen Nummer nochmals auftritt. Der weitere Teil des Abends besteht vorwiegend aus Monologen Dorfers, in denen er mal über diese, mal über jene Zeiterscheinung seinen beißenden Spott ausschüttet und dabei ebenso unmerklich wie gekonnt die Fiktionalität durch vermehrte Publikumsanrede weiter herabsetzt und damit wieder einmal deren finalisierende Tendenz bestätigt. Immer mehr bezieht Dorfer das Auditorium in seine Nummern mit ein, um schließlich ganz zu Ende des Programms mit dem gleichen Musikstück "Des wars dann", das ja auch den Beginn des Programms bildete, aber erst jetzt seinen vollständigen Sinn offenbart, den Kreislauf zu schließen. Allerdings nicht, ohne die Zuschauer dadurch noch einmal an sämtliche zwischen den beiden "Schlußnummern" liegende Teile zu erinnern.

 

7. "Badeschluß"

Nicht ganz so ausführlich, da vom literaturwissenschaftlichen Konzept nicht so außergewöhnlich wie "Ohne Netz", aber doch einigermaßen umfassend, möchte ich mich nun Dorfers bislang letztem Soloprogramm "Badeschluß" widmen, das am 27. Februar 1996 im der Wiener "Kulisse" Premiere hatte. "Badeschluß" ist derzeit Dorfers "Rekordprogramm": bis vor Weihnachten 1998 hatten es 160 000 Menschen gesehen, er selbst rechnet mit ca. 500 Vorstellungen in Wien, den Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland. Neben den zahlreichen Tourneen absolvierte Alfred Dorfer mit "Badeschluß" im Oktober 1997 außerdem ein zweiwöchiges Gastspiel im Münchner Lustspielhaus.

Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb darüber am 31. 10. 1997 folgendes:

Vom Wegfahren und Dableiben

Alfred Dorfers "Badeschluß": ein hinterfotziger Kabarettabend

Er ist beim Campingurlaub gezeugt worden (durch "Zeltteilung"), und vielleicht ist das ja einer der vielen Gründe, warum Alfred Dorfer so gerne vom Wegfahren redet. Von der Schlafwagenfahrt gen Süden, nachdem ihn Christa verlassen hat. Vom Positive-thinking-Trip nach Florenz, weil Evelyn ihn verlassen hat. Oder zumindest, in der nostalgischen Variante, vom Ausflug mit den Großeltern ins Wiener Arbeiterstrandbad, wo man sich sozialistisch amüsierte bis Badeschluß.(...)19

Was folgt, ist eine mehrheitlich äußerst positive Kritik des Programms, wenn auch mit der Anmerkung versehen, daß man "Badeschluß" nur "dialektisch" einigermaßen geschulten Personen empfehlen könne; der im Arbeiterstrandbad gesprochene Favoritner Dialekt ist wohl für alle Nicht-Wiener - und insbesondere für Nicht-Österreicher - manchmal eine zu große Sprach-barriere. Davon abgesehen wird im obigen Absatz auch auf den sprachlichen Aufbau des Programms Bezug genommen. Grundsätzlich ist "Badeschluß" ein Programm über das Reisen, nimmt aber seinen eigentlichen Ausgang, wie ja auch von Dorfer im Interview selbst angesprochen, wieder einmal vom Thema der Einsamkeit: zwei Männer sind von ihrer Freundin verlassen worden und suchen Ablenkung, indem sie verreisen. Und wie schon in "Ohne Netz" gibt es auch diesmal wieder Stellen im Programm, die sich wiederholen.

Jeweils vor und nach der Pause schlüpft Dorfer in die Rolle eines anderen Mannes, der aber vor derselben Situation steht wie sein Vorgänger bzw. Nachfolger und zudem mit dem gleichen Text beschließt, der drohenden Langeweile durch eine Reise zu entkommen. Was die beiden auf ihren Ausflügen dann allerdings erleben, ist unterschiedlich, aber gleich unterhaltsam. Ganz egal, ob Dorfer von Adam und Eva, oder von einer Bergwanderung erzählt - eine wichtige Stütze sind ihm dabei jedesmal die drei Musiker seiner Begleitcombo, die aus diesem Programm kaum noch wegzudenken sind. Auch Dorfer selbst sieht das als einen der grundlegendsten Unterschiede zu "Alles Gute" und "Ohne Netz" an:

"Was "Badeschluß" von meinen anderen Programmen unterscheidet, ist, daß die Musikbegleitung diesmal eine viel umfassendere Funktion hat und mehr wie eine Filmmusik wirkt und meine Musiker auch ihre eigenen Szenen haben werden."20

Das ist zum Beispiel der Fall, wenn Alfred Dorfer in einer Parodie auf die Legende der heiligen drei Könige aus dem Morgenland die Mitglieder seiner Live-Band Papierkrönchen aufzusetzen heißt und diese dann, in stoischer Sternsingermanier, ihre gereimten und leicht aktualisierten Gedichtverse vom Stapel lassen. Oder wenn die drei Mitglieder der Band in einer Nummer als Fernseher-Substitut herhalten müssen und von Dorfer je nach Lust und Laune ein- und ausgeschaltet und zum "Zappen" genötigt werden. Genau wie auch bei "Ohne Netz" bezieht Dorfer gegen Ende des Abends sein Publikum stärker mit ein und wendet sich mit der Frage, was denn nun von diesen beiden Geschichten vor und nach der Pause zu halten sei, direkt an die Zuschauer. Scheinbar gemeinsam mit dem Auditorium entwickelt Dorfer diverse Interpretationsansätze, bevor sich das Ganze schließlich als Kabaretttherapie eines schizophrenen Kleinkünstlers in einer psychiatrischen Anstalt herausstellt.

"Am Ende alles mit der Kabarett-Therapie eines Schizophrenen in der Psychiatrie zu erklären, wirkt wie ein arg billiger Dreh. Doch soll dies keinesfalls die These stützen, es sei überall da besser, wo wir gerade nicht sind: Im Kabarett von Alfred Dorfer zu sitzen, gehört entschieden zu den besseren Dingen, die einem im Leben passieren können"21

meint dazu die "Süddeutsche Zeitung".

 

Literaturverzeichnis:

(1) libro-Journal, Interview mit Alfred Dorfer, März 1996.

(2) Nürnberger Burgtheater, Kabarett-Archiv, http://www.launet.baynet.de/K.Friedlein/dorfer.htm.

(3) S.R. Film & Video FilmproduktionsgesmbH. (Austria), "Schlabarett-Atompilz von links", 1992.

(4) S.R. Film & Video FilmproduktionsgesmbH. (Austria), "Schlabarett-Sein und Schwein", 1992.

(5) alle Kritiken: "Alles Gute", ORF Merchandising/Alfred Dorfer, (c)+(R) 1996.

(6) libro-Journal, Interview mit Alfred Dorfer, März 1996.

(7) PHÖNIX-Theaterzeitung, Dezember 1997.

(8) Shopping intern, Nr.6/Oktober 1998, Seite 29.

(9) Kabarett in Wien, http://diddl.tuwien.ac.at/~palmtree/kabarett/.

(10) Shopping intern, Nr.6/Oktober 1998, Seite 29.

(11) libro-Journal, Interview mit Alfred Dorfer, März 1996.

(12) Kabarett in Wien, http://diddl.tuwien.ac.at/~palmtree/kabarett/.

(13) Oberösterreichische Nachrichten, Donnerstag, 15. Oktober 1998, Seite 8.

(14) Shopping intern, Nr.6/Oktober 1998, Seite 29.

(15) "Ohne Netz", Videocassette, ORF Merchandising/Alfred Dorfer, (c)+(R) 1997.

(16) Vogel, Benedikt: Fiktionskulisse.A.a.O. S.82.

(17) Da mir der Titel dieses Musikstückes unbekannt ist, nahm ich mir die Freiheit, ihm irgendeine, den für das Verständnis nicht so wichtigen Text des Liedes widerspiegelnde Bezeichnung zu geben.

(18) Alfred Dorfer: "Badeschluß".

(19) Nürnberger Burgtheater, Kabarett-Archiv, http://www.launet.baynet.de/K.Friedlein/dorfer.htm.

(20) libro-Journal, Interview mit Alfred Dorfer, März 1996.

(21) Nürnberger Burgtheater, A.a.O.

Anhang

Begriffserklärungen

APO - Kabarett: "Zusammenfassende Bezeichnug für diejenigen politischen Kabaretts der BRD, die sich im Gegensatz zum >symptomkritischen< Kabarett der Jahre bis 1964 ab 1965 als >systemkritisch< verstanden. (...) Analog zu den Bestrebungen der >Außerparlamentarischen Opposition< (APO) jener Zeit begnügten sich diese (...) Kabaretts nicht mit dem Anprangern von "Mißständen" (...) der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie, sonder stellten deren ganzes "System" in Frage. (...) Daraus folgten häufig eigene, außerkabarettistische Initiativen der betreffenden Gruppen und Solisten oder ihre Beteiligung an bereits bestehenden. Mit dem Auseinanderfallen der APO infolge der Intervention des Warschauer Paktes in der CSSR 1968 und der Bildung der SPD-FPD-Koalition in Bonn 1969 geriet das >systemkritische< Kabarett in eine Krise (...).
In der APO-Zeit stellte sich das herkömmliche Kabarett zum erstenmal selbst in Frage."1

Conférence: "(…) innerhalb eines Kabarettprogramms jede nichtfiktionale, als Publikumsdialog gesprochene (…) Äußerung [des Kabarettisten] mit der Funktion der Begrüßung/Verabschiedung des Publikums oder auch des Kommentars zu einer Nummer (…). Eine Conférence wird jeweils von höchstens zwei Personen (Conférenciers) vorgetragen, die im Programm mehrmals in dieser Rolle auftreten."2
Wird eine Conférence von zwei Personen vorgetragen, so spricht man von einer Doppelconférence.

Konsumation: Alles was an Speisen und Getränken in einem Kabarett konsumiert wird.

Mittelstück: "Von Rudolf Weys in der "Literatur am Naschmarkt" eingeführtes zusammenhängendes Kabarettstück von durchschnittlich 25 bis 40 Minuten Dauer, das in der Mitte des üblichen Nummernkabaretts plaziert wurde, wodurch vorher und nachher je eine Pause entstand, in der serviert bzw. abkassiert werden konnte. Allmählich bürgerte sich die Form des Mittelstücks auch in den anderen Wiener Kabaretts der dreißiger Jahre ein, da diese Aufteilung den ökonomischen Notwendigkeiten einerseits und der Idee des kabarettistischen Zeittheaters andererseits zugute kam." 3

pomali: (wienerisch) langsam, gemächlich

Reisekabarett: "Bezeichnung für ein Kabarett-Ensemble, das organisatorisch und technisch auf einen ständigen Ortswechsel mit unterschiedlichen Spielstätten und Zuschauern eingestellt ist; überwiegend ohne eigenen, bzw. festen Spielort (Theaterraum). Zahlreiche Reisekabaretts (...) entstanden nach dem zweiten Weltkrieg, vor allem aus der Tatsache heraus, daß die meisten Theater- und Veranstaltungsräume zerstört waren."4

Salzburger Stier: Renommierte Kabarettauszeichnung, die von ORF, DRS und ARD getrennt für Österreich, die Schweiz sowie die Bundesrepublik Deutschland vergeben wird. Für Österreich wird heuer (1999) Andrea Händler ausgezeichnet. Die Preisverleihung erfolgt Mitte Juni in Leipzig.

Textsubtrat: sprachwissenschaftlicher Ausdruck für die schriftlichen Grundlagen eines Kabarettprogramms, das zwar vereinzelte Regieanweisungen bezüglich Bühnenaufbau, … ect. gibt, nicht aber die im Kabarett so entscheidenden Gestaltungsmittel wie Mimik, Gestik,... berücksichtigt.
Um ein Kabarettprogramm zu analysieren ist es also unerläßlich, über das Textsubstrat hinauszugehen und sich auch mit dem Programm in der tatsächlich dargebrachten Form zu befassen.

 

Bibliographie

A

"Alles Gute", ORF Merchandising / Alfred Dorfer, ©+® 1996.

B

(1),(3),(4) Budzinski K., Hippen R., Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

F

Falter 11/98, Seite 17.

H

Hakel, H. (Hsg.): Wigl Wogl. Kabarett und Varieté in Wien. Forum Verlag Wien.1962.

Hippen R., Budzinski K., Metzler Kabarett Lexikon. Metzlerverlag, 1996.

K

Kabarett in Wien, http://diddl.tuwien.ac.at/~palmtree/kabarett/.

Hsg. Krischke, Traugott, Der Herr Karl (von Qualtinger/Merz), Deuticke, 1996.

Hsg. Kühn, Volker, Kleinkunststücke 4 – Kabarett in Restdeutschland, Quadriga, 1993.

Kulissezeitung Juni/September '98, Seite 2.

L

libro-Journal, Interview mit Alfred Dorfer, März 1996.

M

Martini Louise, Ein o für Louise - Wien in den 50er Jahren. Deuticke,1998.

N

Nürnberger Burgtheater, Kabarett-Archiv, http://www.launet.baynet.de/K.Friedlein/dorfer.htm.

O/Ö

Oberösterreichische Nachrichten, Donnerstag, 15. Oktober 1998, Seite 8.

"Ohne Netz", ORF Merchandising / Alfred Dorfer, ©+® 1997

Österreich-Lexikon (AEIOU), http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.

P

PHÖNIX-Theaterzeitung, Dezember 1997.

S

Shopping intern, Nr.6 / Oktober 1998, Seite29.

S.R. Film & Video FilmproduktionsgesmbH. (Austria), "SCHLABARETT-Atompilz von links", 1992.

S.R. Film & Video FilmproduktionsgesmbH. (Austria), "SCHLABARETT-Sein und Schwein", 1992.

V

(2) Vogel Benedikt, Fiktionskulisse- Poetik und Geschichte des Kabaretts, Schöningh, 1993.

 

Anita Wolfartsberger, Steyr 11. Februar 1999

 

 

 

 

Interview mit Alfred Dorfer in der Kulisse, Wien

am 13. Juni 1998

Anita Alfred Dorfer

( AW: Anita Wolfartsberger --- AD: Alfred Dorfer )

AW: OK. Fang ma an!

AD: Wofür ist das Interview eigentlich ?

AW: Das ist für eine Fachbereicharbeit in Deutsch über Kabarett, für die ich mir als Schwerpunkt Alfred Dorfer ausgesucht habe.

AD: Ist eine Fachbereichsarbeit so etwas Ähnliches wie ein Wahlpflichtgegenstand ?

AW: ...ähm..na, eigentlich net.

AD: Ah..so !

AW: Gibt es irgendwelche Bücher über sie ?

AD: Nein, Gott sei Dank nicht.

AW: ... und im Internet ?

AD: Im Internet gibt es eine Website über mich, die ist unter meinem Namen ....oder die bei der E&A die... da...mein Management macht...die müßten das wissen, es gibt... ich hab noch geschrieben für das Internet eine Zeitlang, und ... und ... nimmt das auf ?

AW: Ja, ja.

AD: Auch wenn das Mikro dort drüben liegt ?

AW: Ja klar, der hat ein eingebautes Mikro.

AD: Supa... und...es gibt auch glaub ich eine Website.

AW: Dorfer.at oder irgendsowas ?

AD: Nein, weiß ich nicht. Ich hab sie nämlich nicht angelegt.

AW: Wie und wann sind sie auf die Idee gekommen, daß sie Kabarettist werden könnten ?

AD: Ich bin nicht auf die Idee gekommen Kabarettist zu werden, sondern ich bin da hineingekommen, weil ich es gemacht habe. Ich wollte es zuerst nicht, es war zuerst nur so eine Verzweiflungsgeschichte, weil ich beim Theater nicht unterkommen konnte und ich habe dann mit dem Wustinger und später dann mit dem Düringer Schlabarett gemacht. Das ist dann immer besser gegangen und irgendwann hat mich das Theater nicht mehr interessiert.

AW: Und dann sind sie zum Kabarett übergewechselt .. ?

AD: Nein, nicht übergewechselt. Ich habe einfach Kabarett gemacht, immer in der Annahme, ich geh eh irgendwann einmal zum Theater. Und jetzt bin ich sehr froh, daß ich nicht zum Theater gegangen bin.

AW: Wenn sie mir vielleicht irgend etwas über ihren Werdegang erzählen könnten, was war ihr erstes Programm, erste Auftritte, Preise, die sie gewonnen haben ...usw.

AD: ...ah... wir tun uns leichter wenn ich dir eine Bio von mir faxen lasse. Da steht alles drin. Ja, dann liest du dir das herunter ... und ich überlege mir wie du dazu kommst. Bist du in Wien ?

AW: Nein.

AD: Hast du ein Fax ?

AW: Ja schon, aber das funktioniert nicht.

AD: Na, aber du wirst ja eine Adresse haben, wo man dir einen Brief hinschicken kann.

AW: Ja eine normale Adresse hab ich schon. Soll ich die aufschreiben?


AD: Die gibst du mir dann, okay ?

AW: Gut. Ich habe dann auch noch eine grundsätzliche Frage: wenn ich in der FBA zum Beispiel irgendwelche Passagen aus "Indien" verwenden will ...

AD: Ist kein Problem.

AW: Ach so nicht, weil in dem CD Heft da etwas steht von Verbot ...

AD: Nein, das betrifft nur, daß man keine eigene CD drucken lassen darf und verkaufen darf. Du kannst von "Indien" abdrucken, was immer du willst, weil ich bin der Autor und ich kann dir das erlauben und das erlaube ich dir jetzt.

AW: Na wunderbar, danke!

AW: Bei welcher Agentur sind sie?

AD: E&A heißen die ... E&A.

AW: Welche spezielle Ausbildung haben sie, Schauspielunterricht ?

AD: Ja, Schauspielunterricht. Wir haben selber eine Schauspielschule gegründet, wo ich fünf verschieden Lehrer gehabt habe, die zum Teil auch die Straßberg-schule unterrichtet haben, ich weiß nicht ob dir das etwas sagt, das ist diese Filmschauspielschule in New York, wo auch der de Niro und die ganzen Leute Filmschauspiel gelernt haben. Dann habe ich Pantomime gelernt beim Molcho, Sprechausbildung gehabt bei einem dritten Lehrer, und bei einem vierten Lehrer, der hieß Rainhard Tötschinger, das ist der Bruder vom Gerhard Tötschinger, der hat uns diese ganzen französichen und italienischen Körpertheatertechniken beigebracht, wie Commedia del‘ arte und so.

AW: Also sie bereuen ihre Berufsentscheidung nicht...

AD: Nein.

AW: ... und sie haben auch nicht vor ihren Beruf zu ändern?

AD: Nein, habe ich nicht.

AW: Schreiben sie ihre Programme selbst ?

AD: Ja.

AW: Verarbeiten sie da eigene Erfahrungen bzw. autobiographische Dinge?

AD: Es sind viele autobiographische Dinge drinnen und es sind auch sehr viele Dinge drinnen, die insofern eigene Erfahrungen sind, weil ich sie bei anderen beobachtet habe. Das heißt es ist sowohl das selbst Erlebte drinnen, aber auch das Beobachtete von Schicksalen, oder von Typen, von Dialogen, die nicht mir entspringen, sondern die man einfach so im täglichen Umgang aufschnappt.

AW: Wenn sie jetzt so ein Programm schreiben, gibt es dann irgendeine inhaltliche Botschaft, die sie übermitteln wollen, außer die politische Aussage, daß sie Jörg Haider nicht mögen ?

AD: Jörg Haider nicht zu mögen ist keine inhaltliche Botschaft, sondern das ist ein Standpunkt, den ich begründen kann, der aber noch zu wenig für eine inhaltliche Botschaft wäre. In Wirklichkeit sind die Geschichten die ich erzähle so, daß ... zum Beispiel "Alles Gute" war ein Stück über die Einsamkeit. Das erste Stück, wo der Lehrer den dreißigsten Geburtstag feiert und es kommt keiner, also ein Fest organisiert und es kommt keiner, und da hat mich interessiert daran, was passiert mit Leuten, die sich plötzlich auf sich alleingestellt fühlen.

AW: Gibt es da irgendwelche Probleme?

AD: Nein, überhaupt nicht. Die Kabarettisten, mit denen ich zusammen arbeite sind schnell aufgezählt, das sind Günther Paal, Josef Hader und Roland Düringer. Mit dem Roland habe ich jetzt gemacht diese Sitcom fürs Fernsehen, das "MA 2412", die Beamtengeschichte, und das ist problemlos weil der Roland mit mir schon 10 Jahre Schlabarett gemacht hat.

Mit dem Josef war es eine irrsinnig glückliche Zusammenarbeit, weil wir sehr, sehr klar immer gleicher Ansicht waren, wie etwas zu tun ist und der Günther macht halt sein Soloprogramm und spielt bei mir und das war bis jetzt immer reibungslos.

AW: Außer ihren Kabarettprogrammen haben sie ja auch eine ganze Reihe von Filmen gemacht, "Freispiel" um nur einen zu nennen. Haben sie da die Drehbücher selbst geschrieben, oder sind die auch in Zusammenarbeit entstanden?

AD: Bei "Freispiel" hab ich es zusammen mit dem Regisseur geschrieben, mit dem Harald Sicheritz. Bei "Muttertag" hab ich es mit dem Roland geschrieben und bei "Indien" hab ich es zusammen mit dem Josef geschrieben.

AW: "Indien" war ja ursprünglich ein Theaterstück...

AD: ...Kabarettstück, ja...

AW: ...das dann nachher verfilmt wurde. Nun gibt es da ja auch Unterschiede, zum Beispiel die Geschichte mit der Banane ist im Theaterstück noch nicht.

AD: Nein, die ist nicht, es gibt auch keine Tanzszene im Theaterstück und es gibt auch viele Textgeschichten, die im Stück sind und im Film nicht mehr. Man muß glaube ich sagen ... ah... ich würde sagen, 70% des Textmaterials sind im Film, und 30% gehen darüber hinaus.

AW: Diese Unterschiede, waren das Verbesserungen, wo sie sich gedacht haben das könnt man noch besser machen, oder wollten sie es einfach bewußt anders machen?

AD: Nein, wir wollten es für den Film machen, weil das Theaterstück für den Film nicht funktioniert hätte. Das Theaterstück geht anders aus als der Film, weil du kannst im Film so einen Schluß nicht machen, weil dir ein jeder aus dem Kino herausgeht und sagt "Pah, oida!".

Im Theaterstück stirbt einfach der Fellner und der Bösel bleibt an seinem Bett sitzen und es ist aus. Und hier wollten wir noch etwas dranhängen, was so eine leicht persiflierte Hoffnungsgeschichte gibt, oder sagen wir einen etwas leichteren Ausstieg aus dieser heavy G‘schicht.

AW: Was haben sie für die nächste Zeit vor. Von meiner Cousine weiß ich, daß sie heute noch nach Deutschland müssen. Gehen sie jetzt dort auf Tournee?

AD: Ich spiele auch in Deutschland. Nicht irrsinnig viel, aber doch hin und wieder. Ich mache dort auch etwas für Fernsehstationen. Ich bin halt relativ viel unterwegs und wenn ich Glück habe, drehe ich nächstes Jahr wieder einen Kinofilm.

AW: Hat der schon einen Titel ?

AD: Nein, ich schreibe gerade.

AW: Also einen neuen Film ja, und wie schaut es mit einem neuen Programm aus ?

AD: Neues Programm nach dem Film, wenn das mit dem Film etwas wird, wenn der Film nicht passiert, dann früher, dann nächstes Jahr. Das hängt davon ab, wie sich das verschachtelt.

AW: Wie sind eigentlich ihre Erfolge außerhalb von Österreich oder auch außerhalb von Wien, wenn man zum Beispiel die "Westösterreichische Weisheit" hernimmt, dann wird die in Innsbruck vielleicht nicht so gut ankommen.

AD: Kein Problem, die haben kein Problem damit. Die haben weder mit dem Tiroler, noch mit dem ein Problem. Die sind sogar sehr glücklich über das. Es gibt keine Differenz zwischen Wien und Vorarlberg, es gibt aber sehrwohl einen Unterschied zum Beispiel in Deutschland. Ich war in Hamburg und es war super, ich war in Mainz und es war oarsch ... also ... war nicht so gut. In Deutschland hängt es wirklich von der Stadt ab. München ist immer sehr ..., also der bayrische Raum ist kein Problem, das ist eine Sprachinsel mit uns, daher gibt’s die Schwierigkeit nicht. Hamburg, die haben eine sehr große Affinität zu den Österreichern, die mögen das gerne, und dann gibt es so eine ganz große Region dazwischen, die problematisch ist und da bin ich aber auch selten.

AW: Wie oft werden sie auf der Straße von Leuten angesprochen, die dann ein Autogramm oder etwas wollen ?

AD: Nicht sehr oft. Das passiert nicht sehr oft.

AW: Haben sie noch einen Überblick, wieviele CD’s sie schon herausgebracht haben, und bei wievielen Filmen sie im Laufe der Zeit schon mitgewirkt haben ?

AD: Ja, das habe ich schon noch, weil ich habe nicht so viel herausgebracht. Wenn man jetzt wirklich nur die Filme hernimmt, die ich gemacht habe, wo ich mitgespielt habe, beim Drehbuch mitgeschrieben habe, so sind das eigentlich nur drei: "Indien" "Muttertag" und "Freispiel".

CD’s gibt es von mir nur einen Programmmitschnitt von "Ohne Netz", gibt es die "Indien" CD, wenn man die mitrechnen will, gibt es die "Eins", dann hat es gegeben ein Singleauskopplung die hat geheißen "Sommer", das war einfach nur ein Lied und dann gab’s eine Maxi-CD die hat geheißen "Piraten", da waren vier Lieder drauf. Mehr gibt es nicht.

Und an Videos gibt es halt "Alles Gute", "Ohne Netz" gibt es auf Video, dann "Freispiel", "Indien", "Muttertag", und von den Schlabarett Sachen mit dem Roland gibt es "Sein und Schwein" und "Atompilz".

AW: Was ist mit "Badeschluß", wird es das auch einmal auf Video geben ?

AD: Nächsten Herbst, ja. Also kommenden Herbst, jetzt.

AW: Ich glaube, das war es jetzt so im Großen und Ganzen.

AD: Gibst du mir jetzt deine Adresse bitte, weil dann schicke ich dir einen Lebenslauf ... was brauchst noch für deine Arbeit ?

AW: Naja, ein Lebenslauf ist eh schon einmal ein Wahnsinn, soviel Kooperation hätte ich gar nicht erwartet.

AD: Na klar. Was auch immer du brauchst als Unterlagen, wenn du da etwas brauchst, nimm dir’s einfach. Da gibt es überhaupt kein Problem. Wenn du sagst du hättest gerne das zitiert, das zitiert und das verwendet, dann sagst du mir das und ich sage dir: "ja". Und den Lebenslauf lasse ich dir schicken, weil ich habe keinen daheim, aber dazu brauch' ich deine Adresse. Ja, und wann brauchst du das, das ist ja glaube ich die nächste Frage ?

AW: Naja ...

AD: Naja, wann hey ?

AW: Wann geht es denn ?

AD: Nein, sag mir, wann du ihn brauchst. Brauchen wirs’t ihn morgen wahrscheinlich ..

AW: Nein, so dringend ist es nicht. Wie schaut's mit Ende des Monats aus ?

AD: Na klar. Ich werde da morgen anrufen, die sollen das am Montag gleich wegschicken, dann müßtest du es eigentlich nächste Woche haben.

AW: Super, danke !

Autogramm für Anita




Interview mit Schöller & Bacher nach ihrer Vorstellung im Röd@, Steyr

am 20. Mai 1998


Schöller & Bacher

( AW: Anita Wolfartsberger --- KS: Karli Schöllerbacher --- RS: Rudi Schöllerbacher )



AW: Ihr seid zwei Brüder und heißt Schöllerbacher, ist das richtig?

RS&KS: Ja, genau.

AW: Und wer ist wer?

RS: Ich bin der Rudi.

KS: …und mein Vorname ist Karli.

AW: Wann seid ihr geboren und wo?

KS: Ja geboren sind wir in Steyr, klarerweise im Krankenhaus…

RS: …LKH

KS: na, ist ja kein Landeskrankenhaus…

RS: …ahso…net?

KS: oder?

AW: Doch, sicher ist das ein Landeskrankenhaus…

KS: Na egal eigentlich, Krankenhaus Steyr jedenfalls…und das Datum ist 27. Mai 1976

RS: Und ich am 3. April 1975.

AW: Wie lange macht ihr eigentlich schon Kabarett?

KS: Das Programm gibt es seit November ’96, also ca. eineinhalb Jahre, und vorher haben wir eben schon angefangen, da hatten wir nur eine Viertelstunde.

Nachdem wir begonnen hatten an dem Programm zu schreiben haben wir in der Zeitung gelesen, daß es in Graz einen Nachwuchsbewerb gibt der eben Grazer Kleinkunstvogel heißt. Das war eigentlich ziemlich zufällig, daß wir das gelesen haben und wir dachten uns, eine Viertelstunde haben wir momentan, da könnten wir uns anmelden, wir haben nichts zu verlieren und sind hingefahren.

RS: Das war im März `96, also noch ein halbes Jahr bevor das Programm selber dann fertig war.

KS: Und dann sind wir erstens einmal überraschenderweise ins Finale gekommen und haben dann noch überraschender gewonnen. Mit dem Preis haben wir auch zwei Auftritte gewonnen für ein ganzes Programm und da hat es dann eigentlich richtig angefangen. Wir haben uns dann gedacht, ja machen wir halt doch ein ganzes Programm…

AW: Ihr hattet also noch gar kein ganzes Programm als ihr den Grazer Kleinkunstvogel gewonnen habt.

RS: Ja, genau.

KS: Ja, und dann haben wir also das geschrieben und haben dann das ganze Programm eben im November `96 das erste mal in Graz gespielt. Das war unser erster Bühnenauftritt überhaupt.

AW: Wart ihr nervös?

RS: Ja klar, voi. Wir waren nämlich auch die einzigen die noch nie aufgetreten waren, da waren teilweise Leute die schon das zweite Programm hatten und Schauspielausbildung usw…

AW: Eine spezielle Ausbildung habt ihr ja nicht?

RS: Nein, gar nichts.

AW: In dem Programmheft steht ja, ihr wart in einer Hader-Vorstellung und habt dann spontan beschlossen, selbst auch Kabarett zu machen. War das so ähnlich?

RS: Naja, es wird jetzt immer so dargestellt als wären wir beim Hader gewesen und hätten uns dann beim Hinausgehen gedacht, wir können jetzt nicht mehr weiterleben wenn wir nicht auch ein Kabarett schreiben. Ganz so war es nicht.

Wir hatten vorher eine Band in Steyr, haben uns dann aber aufgelöst als wir nach Wien gegangen sindum zu studieren. Da haben wir dann tatsächlich den Hader gesehen. Das war unser erstes Kabarett, ja und da wir zu der Zeit sowieso kein richtiges Hobby hatten, aber schon wieder etwas in diese Richtung machen wollten, haben wir uns gedacht, wir probieren es einfach einmal mit Kabarett weil es einmal etwas ganz anderes ist, ein ganz anderes Umfeld. Wir haben uns das einfach ganz interessant vorgestellt und das ist es ja jetzt auch.

AW: Also es war nicht so, daß ihr vorher schon Kabarettfans wart?

RS: Nein ganz im Gegenteil, überhaupt nicht.

KS: Vor allem weil es zumindest zu unserer Zeit in Steyr noch überhaupt keinen Zugang zum Kabarett gab.

AW: Schreibt ihr derzeit an einem neuen Programm?

RS: Naja eigentlich ist unsere Hauptbeschäftigung momentan unsere für Herbst geplante CD. Das werden hauptsächlich Lieder sein und da sind wir momentan ziemlich beschäftigt. Im Jänner `99 wird es dann ein neues Programm geben.

KS: Aber geschrieben dafür haben wir noch nichts.

AW: Habt ihr eigentlich vor das Kabarett zu eurem Beruf zu machen?

RS: Verschieden. Wir studieren jetzt einfach einmal weiter und machen das Kabarett so nebenbei. Momentan läßt sich das noch sehr gut verbinden obwohl wir relativ viel spielen, so zwei Aufträge pro Woche und es ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen.

AW: Wie kommt ihr eigentlich zu euren Aufträgen, habt ihr irgendeine Agentur?

KS: Ja wir haben eine Agentur, das Büro Hornzl …

RS: Die ist relativ gut und renommiert, Hader und Vitasek zum Beispiel sind auch dort…

KS: … bei den meisten Aufträgen ist es eigentlich schon so, daß die Leute direkt bei uns anrufen wegen dem Auftrag…es ist nicht so daß alles die Agentur macht…

RS: …es läuft sicher die Hälfte direkt über uns.

AW: Und wo spielt ihr da?

KS: Hauptsächlich in Wien, Oberösterreich und teilweise auch woanders…vor zwei Wochen zum Beispiel waren wir in Innsbruck.

RS: Insgesamt haben wir jetzt so ca. 105 bis 110 mal gespielt.

AW: Gibt es da nicht in Wien auch speziell Oberösterreichern gegenüber so Vorurteile von wegen "Mostschädln" und so ?

RS: Nein, ganz im Gegenteil, es stellt sich sogar sehr oft als Vorteil heraus. Man hat dann sehr oft so etwas wie einen Exotenbonus weil man anders redet und so…

KS: Erstens sind die Wiener da sehr offen, und zweitens ist es nicht unbedingt ein Kriterium für ein Kabarettprogramm woher man kommt.

AW: Habt ihr eigentlich einen Sponsorenvertrag mit dem Crazzolara weil ihr die Gitarrenhülle immer so fotogen in die Kamera hält?

KS: Nein das ist eigentlich zufällig passiert und wir haben da auch nichts davon… …obwohl ich finde daß er uns schön langsam schon was zahlen könnte…Es tut uns leid daß wir heute kein Foto gemacht haben, denn heute hätte ich`s verkehrt gehalten. Es ist einfach so, daß das schon so lange meine Gitarre ist, die ich vor Jahren zu Weihnachten geschenkt bekam, und ich mich einfach schon so an die Gitarrenhülle gewöhnt habe.

AW: Um jetzt noch einmal auf den Inhalt eueres Programms "warten" zurückzukommen: gibt es irgend etwas Bestimmtes das ihr damit ausdrücken wolltet, irgendwelche inhaltlichen Bezüge…

RS: Ja solche Fragen mögen wir gar nicht. Das ist so eine komische G’schicht, im Kabarett braucht man immer eine Message die man rüberbringen will und wir sagen dann auch immer "Elvis lebt!" oder irgendwas, weil wir das einfach blöd finden…keine Band wird gefragt, was denn der Inhalt ihrer CD ist und kein Maler, was er jetzt mit dem Bild so Großartiges ausdrücken will…es ist einfach eine Sache in die man sehr viel hineininterpretieren kann und man kann sich damit auseinandersetzen oder eben auch nicht. Wenn wir jetzt einfach so erklären was wir damit sagen wollen, dann brauchen wir das Programm sowieso nicht schreiben. Da können wir gleich einen Artikel verfassen, den dann veröffentlichen und damit hätt` sich die G’schicht. Wir weigern uns jedenfalls immer den Inhalt von dem Programm zu erklären weil wer erklärt schon seine Arbeit…

KS: Dann bräuchten wir das Programm eh nicht mehr zu spielen.

AW: Wenn man jetzt also so ein Kabarettprogramm schreibt, woher bekommt man dann eigentlich die ganzen Ideen, sind das Alltagserfahrungen?

RS: Teilweise schon. Aber es muß nicht unbedingt eine Alltagserfahrung sein, kann natürlich, aber das kann genau so gut ein Absatz in irgendeinem Buch sein oder ein Lied, das ein interessantes Thema behandelt. Bei uns kommen die Einflüsse von mehreren Seiten: Alltag, Bücher und Musik eben.

AW: Welche Vorteile hat man eigentlich von einem Gewinn eines Preises wie zum Beispiel dem Grazer Kleinkunstvogel?

KS: Naja, der Hauptvorteil ist, daß man in die Medien kommt und dadurch der Name etwas bekannter wird, die Zeitungen berichten eben nur über den Sieger und es erleichtert einem natürlich die Position beim Anrufen wegen eines Auftrags wenn man sagen kann man hat das und das gewonnen…aber grundsätzlich kann man sagen, daß es so auch geht, so ein Preis ist noch keine Garantie dafür, daß die Karriere jetzt einen guten Lauf nimmt, es macht die Sache nur ein bißchen einfacher.

RS: In den letzten zwei Jahren ist die Anzahl der Kabarettpreise sowieso gestiegen, weil doch auch der Nachwuchs immer mehr wird…

AW: Werdet ihr eigentlich auf der Straße schon öfters angesprochen?

KS: Gott sei Dank nicht!

RS: Selten, also wenn es passiert, dann mögen wir das eher nicht, weil alle dann scheinbar erwarten, daß man auch dann lustig ist, wenn man einfach nur auf der Straße geht… Das ist dann irgendwie so eine komische Situation weil man dann in so einer Zwangslage ist… derjenige kennt uns, hat uns gesehen und weiß etwas über uns und selber weiß man eigentlich gar nichts von dem und soll dann plötzlich etwas mit ihm anfangen.

AW: Ich danke jedenfalls für das Gespräch, falls ihr noch etwas sagen wollt…?

KS: Na, eigentlich net.

RS: Viel Glück für die Matura!

AW: Danke.

Autogramm für Anita

 

 

Zurueck - Back

© Copyright 1998 - All rights reserved